von Libero
Mit September 1985 begann meine Zeit im Gymnasium bei den Schulbrüdern Strebersdorf, wieder eine katholische Privatschule mit Vollinternat. Diesmal war der Eintritt in diese Institution nicht so traumatisch, denn ich war schon daran gewohnt, nur das Wochenende in Purkersdorf bei meinen Eltern zu verbringen. Die Schule war streng geführt und der Tag vom Aufstehen bis zum Schlafengehen durchgeplant. Der bescheidene private Raum bestand aus einem Bett und einem Kasten in einem Vier- oder Fünfbettzimmer.
In der Früh wurde man vom Präfekten mit einem lauten, ins Zimmer hineingeworfenen „Guten Morgen“ geweckt. Dann schnelle Morgenroutine im Bad und das Bett machen. Anschließend wie immer in Zweierreihe zum Frühstück und danach ebenso den langen Weg durch das Internats- und Schulgebäude in die Klasse. Kam es dabei zu einer Begegnung mit einem Schulbruder in Kutte, musste einer der beiden ersten „Wir grüßen“ sagen und dann beide gemeinsam „Grüß Gott“. Bei diesen Ortswechseln innerhalb des Gebäudekomplexes durfte sonst nie gesprochen werden. Es gab einen besonders genauen Präfekten, der gleich alle bestrafte, sobald er einen Mucks hörte, indem er die Gruppe wieder zum Ausgangspunkt zurück gehen ließ. Somit konnten wir viel Zeit mit Hin- und Hergehen verbringen, die uns dann von der Zeit für Freizeitaktivitäten abgezogen wurde.
Der Vormittag in der Klasse war nicht viel anders als in anderen Schulen – weltliche Lehrer und ganz normaler Unterricht. Nach der letzten Stunde wurden alle wieder vom Präfekten abgeholt und man war in dessen „Obhut“ bis zum Unterrichtsbeginn tags drauf, was heißt, seinen Launen und dem ganzen Gruppendruck ausgeliefert zu sein. Je nach Beliebtheit traf es manche mehr und andere weniger. Unter der menschliche Kälte, dem Leistungsdruck und den strengen Regeln leideten die Schwächsten am meisten. Dem hilflos ausgeliefert wurden sie gehänselt und erniedrigt. Je nach Präfekt schützte er sie oder machte auch noch verletzende Bemerkungen auf ihre Kosten.
Die schönste Beschäftigung, dem grauen, öden Schulalltag zu entkommen war Sport. Im Klassenverbund ging man nach dem Mittagessen raus auf die Fußballplätze. An einem Tag der Woche war stattdessen Schwimmhalle angesagt. Am Abend nach dem Essen stand ein Mal pro Woche Fußball spielen in einer der Sporthallen am Programm.
Neben den fix verplanten Stunden mit der Klasse konnte man individuell auch Neigungsgruppen belegen, die in der Zeit nach dem Mittagessen stattfanden. Zu diesen ging man selbständig. Umso besser die Schulnoten, desto mehr durfte man belegen. In den drei Jahren in Strebersdorf nahm ich als guter Schüler an einer Vielzahl dieser Kurse teil: Fußball, Leichtathletik, Tischtennis und Leistungsschwimmen. Zusätzlich spielte ich in der Neigungsgruppe Bühnenspiel mit. Ich genoss diese Zeit außerhalb der vorgegebenen Strukturen und lebte somit ein wenig „Individualität“, quasi als Belohnung für besonderen Gehorsam.
© Libero 2020-07-17