von Jonathan Cyba
Liebes Tagebuch,
Ich habe jetzt endlich meinen Eigenen! Da war zwar vorher schon einer von Ihnen, aber da war ich immer alleine. Es war kalt und ich hatte Hunger.
Jetzt hat mich Jemand gefunden. Sie sind so groß, so schön und so stark. Sie werden so viel älter als wir. Trotzdem entscheiden sie sich, uns zu sich zu nehmen.
Ich habe gehört, dass sie „Menschen“ heißen. Mir ist das egal. Ich weiß nur, dass ich jetzt nicht mehr alleine sein muss.
Mein Mensch liebt mich sehr. Das fühle ich. Manchmal ist er böse, aber es schmeckt doch so gut!
Manchmal schließt sich mein Mensch in eine Glaskammer und dann regnet es. Danach riecht und schmeckt mein Mensch anders. Ich finde das sehr seltsam, aber mein Mensch macht das freiwillig.
Ein Bett ist etwas Tolles. Es ist viel besser als auf dem Boden zu schlafen. Ich muss gar keine Angst mehr haben und es ist warm.
Mein Mensch scheint sich keine Sorgen zu machen, dass Jemand kommt und etwas Böses macht. Immer, wenn ich Bescheid sage, dass im Flur einer ist, sagt mein Mensch das N-Wort. Ich mag das N-Wort nicht. „Nein.“ Es schüttelt mich, wenn ich daran denke.
Nein, spuck das aus. Nein, geh runter. Nein, sei still.
Manchmal bekomme ich einen Keks, nach dem N-Wort. Vielleicht ist es doch gar nicht so schlimm.
Ich muss zwar noch viel lernen, aber ich gebe mir große Mühe. Mein Mensch soll doch stolz auf mich sein. Ich möchte meinen Menschen glücklich machen.
Mein Mensch ist sehr zufrieden mit mir. Ich verstehe zwar nicht, warum ich Anderen nicht sagen darf, dass mein Mensch mir gehört, aber ich bekomme einen Keks, wenn ich es nicht mache. Und wenn die Anderen sehr laut sind und ich sie nicht einmal an sehe, dann ist mein Mensch sehr stolz auf mich.
Ich habe eine Maus gefangen und meinem Mensch geschenkt. Dafür habe ich einen Keks bekommen. Ich glaube, mein Mensch hat meine Maus gegessen. Zumindest habe ich sie nicht wieder gefunden.
Ich bin gerne bei meinem Menschen. Wenn er weg geht, bin ich traurig, aber mein Mensch ist bis jetzt immer zurück gekommen und hat sich gefreut, mich zu sehen.
Ich möchte nie wieder weg gehen müssen. Ich habe mich doch so an meinen Menschen gewöhnt. Ich habe mich sogar an den gruseligen Anderen gewöhnt, der in dem Glaskasten wohnt und Mäuse fressen darf – anders als ich.
Ich habe sogar ein eigenes Wort!
Ich bin Maurice.
© Jonathan Cyba 2024-07-12