Kapitel 2

Norell-Leandra Bleckmann

von Norell-Leandra Bleckmann

Story
Großbretannien

„Gibst du mir bitte den Ketchup?“, auffordernd sah Marienne mich an. Ich reagierte erst spät, denn meine Gedanken hängten immer noch Benny nach. Und ausgerechnet dieser Junge hatte mich eingeladen, mit ihm zum Abschlussball zu gehen. Während Pedro Marienne den Ketchup an meiner Stelle reichte, malte ich mir aus, wie schön es werden würde in seinen Armen zu liegen, einen sanften Walzer zu tanzen und in seinen wunderschönen tiefblauen Augen zu versinken. Das Abendessen verlief glimpflig, denn Jamy und Clara stritten sich nicht ein einziges Mal darum, wer heute Abend den Tisch abräumte. „Ich freu’ mich schon riesig aufs Shoppen morgen!“, nuschelte meine Cousine. „Ich ebenfalls“, ich spuckte die Zahnpasta ins Waschbecken und zog mir meinen Pyjama an. Anschließend plumpste ich müde aufs Bett. Manchmal ähnelte Emily einem Wasserhahn, den man vergessen hatte zuzudrehen. Sie ist eben eine sehr gesprächige junge Dame, wie meine Oma immer und immer wieder zusagen pflegte. Als ich so in meinem Bett lag, wurde ich immer müder und müder. Gerade fielen mir die Augen zu, da wurde es auf einmal grell und mein Bruder Emil stand im Zimmer. „Ooooaaaahhh. Geht das nicht ein bisschen dunkler?!“ Genervt sah ich ihm nach, bis er im Badezimmer verschwand. Emil und ich mussten uns ein Zimmer teilen. Was mich jedesmal wieder aufregte, wenn er spät Abends nach Hause kam und mich aufweckte. „Dring“, machte es leise. Ich schaute auf den Bildschirm meines Smartphones. Sofort zauberte die Email von Anabel ein Lächeln auf mein Gesicht. Liebe Abby, ich schreibe dir von Path. Es war eine angenehme Fahrt hier her. Laut Thermostat sind es 20 Grad, aber irgendwie ist es viel kälter. Na ja, Path ist eine echt schöne Insel. Aber es irritiert immer wieder. Denn überall, wirklich überall stehen so gruselig hineinguckende Statuen. Allein in unserer Wohnung stehen sicher 10. Heute waren wir schon einkaufen, haben uns eingerichtet und warten schon gespannt, auf meinen Vater. Der sitzt nämlich die ganze Zeit schon im Keller und telefoniert. Ich frag mich echt, was ihm denn jetzt so wichtig sein könnte. So ist das mit ihm eben. Was geht bei dir so ab? Wie versprochen werde ich dir jeden Tag eine Email schicken! Küsschen, Bye! Mein Bruder kam soeben aus dem Bad und fing leise an zu kichern: „KÜSSCHEN, Schwesterherz“ „Halt die Klappe!“, als Gegenleistung pfefferte ich ihm mit aller Wucht ein Kissen ins Gesicht. „Nacht ihr Beiden!“, hörte ich meine Mutter durch die Tür rufen. „Nacht“, flüsterte ich und schlief ein. Mein Traum handelte von dem Gedicht, das mein Vater mir als Kind stets vorgetragen hatte, es drehte sich um eine Insel, da er Seefahrer gewesen war. Die Geschichte hatte mich stets gefesselt, weil sie so spannend war:

Keine Karte zeigt sie an, die Insel die Niemand finden kann. „Die Insel, klar“, sagen Leute, doch ich sage dir heute, den Kern bisher keiner entlarvt, mit keinem Boot aus keiner Warft. Und alleman betraten sie, die Insel, bis Jemand schrie, „Stop, zurück“ Doch dort wartete kein Glück. Jeder Bürger machte kehrt, doch der Ausweg war versperrt. Böse Macht war hier im Spiel, mit nur einem Einzigen Ziel: Jeder hier ertrug leide, Seelen stehlen und an der Seide, gingen sie fort an einen Ort, lockten Leute an Bord. Auch diese, welche Glückseligkeit zeigten, sollten in den Tode gleiten.

© Norell-Leandra Bleckmann 2024-10-06

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Abenteuerlich, Unbeschwert