von Maribel Honnen
Ich hatte gerade den Pinsel in der Hand, einen feinen, fast schon ausgefransten, der sich perfekt dafür eignete, Licht auf einer angedeuteten Wange einzufangen. Sanft, vorsichtig – wie der Gedanke an etwas, das man nicht zu laut denken darf. Dann hörte ich sie. Ihre Stimme war nicht zu überhören.
„Also das war’s jetzt, oder?! Nach allem?!“
Hart. Hoch. Wütend. Sie war wieder da. Seine Ex. Caro. Ich erkannte die Stimme sofort. Ich legte den Pinsel zur Seite, hielt inne. Lauschte, obwohl ich es nicht wollte – und doch jedes Wort nur so aufsog.
„Du verpisst dich einfach, Luca? Einfach so?“
Ihre Worte fielen wie heiße Tropfen auf nackte Haut. Jedes schmerzte. Er blieb erst ruhig. Ich hörte ihn kaum, aber ich spürte ihn. Sein Ton war leiser, kontrollierter. Zu kontrolliert.
„Du bist nicht hier, um zu reden, Caro. Du bist hier, um Schuld zu verteilen.“
Seine Stimme zitterte nicht. Aber sie trug etwas in sich, das mir weh tat. Diese angespannte Ruhe, hinter der man alles festhält, damit es nicht aus einem herausbricht.
Dann kam das Klirren.
Etwas fiel. Glas vermutlich. Oder Porzellan. Ich zuckte zusammen.
Die Tür knallte. Wütende Schritte wanderten die Treppen des Treppenhauses hinunter und dann – Stille.
Aber nicht die gute Stille.
Nicht die nach einem ruhigen Abend.
Sondern die, die nach Trümmern klingt.
Ich versuchte mir vorzustellen wie er in den Scherben saß, die sie ihm hinterlassen hat. Sie zog die dunkle Energie in seinen neuen Safeplace. Er muss sich unglaublich verloren fühlen. Mein Herz konnte den Schmerz fühlen, der in der Luft lag.
Ich stand auf. Lief barfuß durch mein Wohnzimmer, an der Wand entlang, die uns trennte.
Ich lehnte mich mit der Schulter dagegen, als könnte ich ihn irgendwie erreichen.
Und dann wusste ich, was ich tun musste. Ich ging zu meinem Regal, griff nach einer alten Playlist auf Vinyl – Sufjan Stevens, Fourth of July – traurig, aber sanft, wie eine Hand, die sagt: „Ich weiß, wie du dich fühlst. Ich bin hier.“
Ich legte die Platte auf. Der Ton war leise, aber ich stellte den Lautsprecher näher an die Wand, sodass der Klang durch das Mauerwerk sickern konnte. Keine große Geste. Nur Musik, die sagt: „Du bist nicht allein.“
Ich stand da, lauschte, ob irgendetwas zurückkam.
Aber die andere Seite blieb still.
Und irgendwie… War das okay.
Manchmal ist da sein, auch ohne Worte, schon genug.
© Maribel Honnen 2025-04-22