von Leoni Feller
Mara
Piep, Piep, Piep …
Langsam öffne ich die Augen und blinzle ein paarmal. Mit meiner linken Hand taste ich über meinen Nachttisch, in der Hoffnung den Wecker zu finden und den nervigen Ton abzustellen. Es gelingt mir und einen Atemzug später stehe ich auf und suche mir etwas zum Anziehen für den heutigen Tag aus. Es ist Anfang November und hier in Galway, Irland, ist es um diese Jahreszeit kalt und über den vielen Regen will ich gar nicht erst nachdenken. Somit entscheide ich mich für meine Lieblingsjeans und einen lachsfarbenen Strickpulli. Anschließend bürste ich mein schulterlanges Haar und raffe es mit einer Spange zurück.
Nach einem letzten Blick in den Spiegel gehe ich ins Wohnzimmer und schaue aus dem Dachfenster. Wie ich es mir bereits gedacht habe, regnet es. Tropfen rinnen die Fensterscheibe hinab. Ich seufze und gehe zur kleinen Kochnische. Meine Dachgeschosswohnung ist überschaubar, aber sehr gemütlich. Ich koche mir einen Kaffee und schlürfe ihn auf dem Boden sitzend, während ich in dem Manuskript meines neusten Liebesromans blättere. Es ist an der Zeit das Ende zu schreiben, doch es gelingt mir einfach nicht. Ich schließe meine Augen und die Erinnerungen an ihn steigen in mir auf. Erinnerungen voller Schmerz und Traurigkeit. Ich sehe sein Gesicht vor mir. Seine Augen, sein Lächeln. Mein Herz beginnt zu schmerzen. Sofort verdränge ich all diese Erinnerungen und Emotionen, die ich mit dem Wort Liebe verbinde – mein Zustand seit zwei Jahren. Ich glaube nicht mehr an die wahre Liebe – einer Liebe bis zum Ende aller Tage.
Ich lege das Manuskript beiseite. Wie soll ich bloß ein Happy End verfassen? Am besten ich sauge mir einfach irgendetwas aus den Fingern – Hauptsache mein Buch wird fertig -, aber ich weiß, dass das nicht die richtige Lösung ist. Nein, so kann mein Buch nicht enden. Meine Leser lieben meine Happy Ends, wenn zwei Herzen endlich zueinander finden. Happy Ends, die so unerwartet, wie das Leben selbst, eintreten. Genau das ist das Wort, das mich quält. Unerwartet. Ich atme tief durch und hieve mich vom Boden hoch. Ich brauche Inspiration und so hülle ich mich in meinen langen schwarzen Regenmantel, schlüpfe in meine Schuhe und binde mir einen langen Schal um den Hals. Fast hätte ich meinen Regenschirm vergessen, als ich die Tür öffne und die Treppen hinuntersteige.
© Leoni Feller 2023-09-25