Kinder der Melancholie und Nostalgie

zoer

von zoer

Story

„Es ist derzeit auch wirklich schwer“, sagte eine der Runde. Ich schloss die Gartentüre hinter mir. Marianne hatte mir geschrieben, dass ich einfach hinters Haus gehen sollte, wo sie seien würden. Marianne saß mit ihren Freunden und Freundinnen auf den Sofas. Ich hatte sie erst heute Vormittag in der Schule gesehen und ich setzte mich zu ihnen.

Sie begrüßten mich, ich begrüßte sie. „Uns werden aber auch viele Möglichkeiten geboten. Wir haben eine große Auswahl davon, wie wir unser Leben glücklich gestalten können“, sagte eine Stimme neben mir auf dem Sofa. Ich wandte mich zu der Stimme. Dem harmonischen Klang, der in meinem Ohr wiederschwang und dessen Wellen ich gerne ergreifen und wieder und wieder in meinen Ohren schwingen lassen würde, dass sie niemals enden würden. Derart faszinierend. Ich wandte mich der Person zu, gelocktes Haar, weiche Züge, eine Schönheit der Natur. Person rückte ein Stück von mir weg, als wolle Person nicht, aber Person müsse ein Stück weg. Meine Augen weiteten sich ein Stück.

„Welche Möglichkeiten stehen euch allen offen?“, fragte ich, „Oder welche nicht?“ Das Wort, das fast auf jeden von ihnen zutraf, war: Privilegiert. Gedankenschnipsel kamen mir, dass ich auf der Straße landete, mein Körper und das in mir drinnen. Wäre ich woanders gelandet, wäre mein Körper mit mir vergangen und mein Wunschziel mit mir. Ich würde es nie erfassen können.

„Ihnen steht alles offen, fast alles“, sagte Person. Die anderen wandten sich einem anderen Gespräch zu. „Wisst ihr, welche Aufgabe für morgen ansteht?“, fragte Miranda in die Runde. „Welche Möglichkeit würde dich ansprechen?“, fragte ich Person. „Ich weiß es noch nicht. Ich muss noch nachdenken“, erwiderte Person leicht und knapp.

„Könntest du mir meine Tasche reichen?“, fragte ein Mädchen Person. „Sicher.“ Person beugte sich zum Boden, hob die Tasche und gab sie lächelnd dem Mädchen. Als Person sich zurück zu mir wandte, war das Lächeln um ein Stück gemildert.

„Sollte ich über die Schule etwas Genaues wissen? Gäbe es etwas, was ich wissen sollte?“ Wollte, sollte, Revolte, Bild mit blau-grüner brennender Kugel im Gedächtnis. „Mir würde nichts Konkretes in den Sinn kommen“, sagte Person nach einem Moment und im nächsten wurde sie von den anderen in ihr Gespräch eingebunden, als wäre Person beruhigt, unserem Gespräch ein Ende zu setzen.

„Übermorgen gibt es ein Treffen von FF“, sagte einer aus der Gruppe. Miranda lächelte mir zu. Ich lächelte zurück und lauschte der frei laufenden Konversation. Sie waren helle Geister, nachdenkliche Geister und mein Herz weinte ein Stück, das Brennen in mir weinte mit. Sie weinten melancholisch und nostalgisch über die Kinder der Melancholie und Nostalgie in Jetztzeit.

Person warf mir einen Blick zu, wo meine Augen schon wieder klar, und ich lauschte, wo ihre Worte und Gedanken und Wünsche noch lebendig waren. Es wäre, dass sie sie behalten sollten, ausleben sollten, sie auf dieser Erde positiv festsetzen wollten.

© zoer 2022-08-28