von Gerhard Maier
Wir alle zerstören Natur durch Flächenfraß. Natürlich nicht mit Absicht. Wir brauchen immer mehr Platz für Wohnungen, Einkaufstempel, Verwaltungsgebäude, Gewerbe- und Industrie, Straßen, Flughäfen.
Auch wir Architekten zerstören Natur. Natürlich nicht mit Absicht. Das ist instinktiver Gestaltungsdrang. Ein architektonisches Juwel soll entstehen und dafür muss Natur weichen. Zum Glück sind wir aber auf Baulandzonen beschränkt, wo die Natur als nicht sehr wertvoll eingestuft ist. Sensiblere Bereiche werden erst gar nicht zu Bauland erklärt und sind für uns tabu.
Straßen, Brücken, Stütz- und Staumauern, Speicherteiche werden ins Grünland gepflanzt, wo die Natur oft noch relativ unberührt ist. Für diese großflächigen Baumaßnahmen werden naturschutztechnische Begleitmaßnahmen vorgeschrieben. Ziel ist es, die Tiere einzufangen und früh genug in sichere Bereiche abzusiedeln. Nach den Bauarbeiten sollen sie das Gelände wieder in Besitz nehmen können.
Weniger aus schlechtem Gewissen, hauptsächlich doch wegen der Liebe zu Tieren lasse ich mich (archi.opti.pix) gerne für die Rettung von Reptilien und Amphibien einspannen. Wenn die Bagger auffahren, ist es für diese bedrohten Tiere bereits zu spät. Reptilien und Amphibien vergraben sich auf der Flucht in Löcher und Ritzen, ihr Tod ist bei Grabungs- und Aushubarbeiten wahrscheinlich. Rehe, Hasen, Mäuse können besser flüchten, Vögel sowieso.
Im Sommer, nach der Fortpflanzungsperiode, wird das Bauareal mit Froschzäunen umfriedet und in Fangfelder aufgeteilt. In den Ecken der Felder werden Eimer als Fallen eingegraben. Wenn Eidechsen, Blindschleichen, Schlangen, Frösche, Kröten ein Loch im Zaun suchen, wandern sie an diesem entlang und fallen in die Eimer. Zusätzlich werden in den Feldern >Schlangenbleche< aus schwarzen Matten aufgelegt, die einen Unterschlupf bieten. Wenn es in der Nacht kälter wird, werden diese gerne angenommen, weil es darunter doch noch warm ist. Die nächsten zwei bis drei Monate müssen früh am Morgen die Fallen kontrolliert werden. Die Tiere sind da noch nicht sonderlich beweglich und können leichter gefangen und zu den Auswilderungsstellen gebracht werden. Würden die Tiere nicht evakuiert, müssen sie im Eimer verenden, also muss die Kontrolle tagtäglich erfolgen. Bei jedem Wetter, bei Sommergewittern, bei Herbstregen, bei Frühfrost.
Spannend ist es, wenn man eine Schlange erwischt. Ist sie giftig, dann kommen Handschuhe und Schlangensack zum Einsatz. Ringelnattern muss man vom Körper weghalten, sie bekleckern dich mit etwas Übelriechendem.
Eine Herausforderung ist es, einen Frosch in freier Wildbahn zu fangen. Da ist Körpereinsatz gefragt und man ist danach ziemlich dreckig. Hat man den Frosch endlich, dann muss er auf den Rücken gelegt werden, um den Bauch fotografieren zu können. Der will das natürlich nicht. Aber wenn man ihn endlich am Rücken hat, da sieht er so süß aus, dass man ihn am liebsten küssen möchte.
© Gerhard Maier 2019-12-20