KUNSTSTOFFMÜLL

Hubert Thurnhofer

von Hubert Thurnhofer

Story
Monaco

Urlaub an der Côte d’Azur – ein Traum! Eine kleine, ruhige Bucht zehn Kilometer von Monaco entfernt, stürz ich mich in die Wellen, kraule genussvoll auf das offene Meer hinaus, wo einige Yachten ankern. Der Genuss findet ein jähes Ende mit einer Damenbinde, die mir beim Luftholen den geöffneten Mund verstopft. Vermutlich gebraucht, aber vom Meerwasser persilweiß gewaschen. Immerhin.

Ich verdamme die Yachtbesitzer und schwimme zurück zum Strand.

In meiner infantilen Verzweiflung kaufe ich mir ein Netz, mit dem Kinder normalerweise Krabben, Fische und allenfalls Quallen fangen, und beginne damit Abfälle, vorwiegend Plastikstücke, aus dem Wasser zu fischen und in den Abfalleimern am Strand zu entsorgen.

Sisyphus zwinkerte mir zu und ist erstmals seit Amtsantritt im Hades glücklich über sein eigenes Schicksal. Langsam dämmert mir, dass die ganze Scheiße nicht nur aus den Yachten stammen kann. Seither hab ich nur noch zwei Erinnerungen an meinen letzten Urlaub: Côte d’Azur und kotz dazuaa!!

Wir wechseln in den virtuellen Raum.

Dort findet man und frau die Info: „Müllkunst und Abfallkunst ist nicht als Mahnung an unsere Müllgesellschaft zu werten oder allein als Sinnbild des Konsums zu verstehen. Auch geht es nicht nur um die Rückführung und Umwertung von wertlos gewordenem und ausgestoßenen Kulturprodukten zurück in eine neue Wertenomenklatur. Müllkunst, Müllplastiken und Müllperformances sollen den Rezipienten auf die Polarität des Sujets, also nicht nur auf die Quantität von Abfallprodukten in unserer Massen- und Wohlstandsgesellschaft allein, sondern auch auf den ästhetischen Wertekanon von Zerfallsprozessen, Endprodukten und Altmaterialien verweisen.“

Müllkunst löst offenbar bei manchen KonzeptkünstlerInnen einen rhetorischen Wischiwaschi-Effekt aus, durch den sich jede Position mit einem unzweideutigen Nicht-nur-sondern-auch-weder-noch wie ein Kaugummi in die Länge zieht. Der Leser und Betrachter findet darin schwerlich seine Katharsis, sondern kann von Glück sprechen, wenn so ein Kaugummi nicht auf seiner Schuhsohle kleben bleibt.

Merke: Kunststoff als Verpackungsmaterial ist eine Fehlgeburt unserer Zivilisation, weil es als Plastikmüll enden muss.

Wer hat eigentlich den Euphemismus „Kunst-Stoff“ für Plastikmüll erfunden?

© Hubert Thurnhofer 2024-01-18

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Emotional, Komisch
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