Grit rief mich aus Lanzarote an, fragte, wann ich meine Koffer abholen will? Fast zwei Jahre sind vergangen, was hab ich seitdem gemacht?
Wir dürfen in der Finca bei Marianne und Scott wohnen. Oma hat mir das Geld für unsere Last-Minute-Tickets geschenkt. Um 4:30 Uhr geht unser Wecker.
Das Meer glitzert im Mondenschein. Die Küchengardine bewegt ein zartes Lüftchen. Jakob ruft noch, er will etwas trinken und meine Hand halten. Jeden Abend dieselben Rituale egal wo wir sind. Wie dieser volle Mond sich im Meer spiegelt, es sieht nach Ewigkeit aus. Es war schon immer so, und wird immer sein.
Die gestrige Fahrt in die Berge, wie Jakob sie nennt, war vertraut, und voller Erinnerungen. Für mich ist Lanzarote noch immer Heimat, inzwischen eine andere als damals. Marianne hat uns in eine zauberhafte Gegend geführt, zwischen Haria und Marguez. Es geht mit dem Corsa serpentinenartig in die Berge. Den Wagen parken wir in einer Senke am Rande des Campo, an dem ein altes Flussbett mündet.17°C, Wolken und warmer Wind.
Erst geht es leicht, dann immer steiler bergauf, vorbei an seltenem Blütenzauber. Mein kleiner Fingernagel ist größer als die winzigen Kelche in violett, pink, gelb und weiß. Fenchel erinnert an Bonbons. Steine, von orangen und lindgrünen Flechten bewohnt. Mannshohe Kakteen, Gräser und Farn, Dornengeflecht mit kleinsten rosa Blüten und alte Palmen. Sonne, Wind und Wolken im Wechsel. Jakob und Scott wechseln sich mit der Position des „Wegchefs“ ebenso ständig unbeständig ab. Das Flussbett verläuft merkwürdigerweise nach oben hin immer breiter, bis wir an einen kleinen Pinienhain kommen. Ein kleines Picknick gönnen wir uns auf dem Teppich der langen Piniennadeln. Der Blick hinunter in die Weite des Tals zur tiefblauen Küste mit ihren Schaumkonen, überbrückt sechs bis acht Kilometer und entlohnt jede Anstrengung. Ich höre nur den Wind. Unsere Kinder spielen in Baumhöhlen. Der Abstieg ist angenehm, mein Sammlerherz erfreut sich an einem Blumensträußchen für unser Apartment. Wieder im Auto angekommen, ein Blick in den Spiegel. Verwischte Wimperntusche, zerzaustes Haar, Glück im Auge.
Die Kerze flackert im eigenen Gold. Die Kanarischen Inseln sind auf dem Etikett abgebildet. Lanzarote ist eine besondere Insel. Aber wie kann ich das sagen? Die anderen sechs habe ich nie besucht. Das hätte ich mir mal vornehmen können. Wahrscheinlich war ich doch zu loyal.
Lanzarote, du hast mich aufgenommen wie eine Mutter, mich das Leben spüren lassen, meine Werte über den Haufen geworfen, mich durchgekaut und wieder ausgespuckt, mich liebevoll gestreichelt und meine Wunden gepustet. Zuckerbrot und Peitsche. Beim letzten Mal war es zu viel. Fast wäre ich zugrunde gegangen. Nur diesmal hatte ich auch noch die Sorge und Verantwortung für mein Kind. Ich muss das Fenster schließen, mir wird kalt. Mein erstes Glas Rotwein war lecker. Nun beginnt diese Vollmondnacht mit dem zweiten und einer Tüte Frutas secas.
Bilder habe ich gefunden ;-))))
© Martina Hammond-Bund 2021-03-14