von Andreas Tatowsky
Endlich wird es ein wenig grüner auf den Latifundien. Nach einigen Anläufen unseren Grassamen auszubringen, um den Bewuchs zu fördern, weil es doch schon im April vermeintlich warm genug geworden war, war es dennoch nur ein klägliches Scheitern. Der späte Frost hatte seine Arbeit getan und ebnete die „Wiese“ zu einem braunen Teppich, auf dem nur vereinzelt einige Grashalme und eine beträchtliche Menge Beiwerk in Form von Frühlingsboten der Gattung Unkraut ihr Dasein fristen.
Dass mir das ganz gelegen kam, sei vielleicht beifügend erwähnt. Die Nutzbarkeit der „Un“ Kräuter war gegeben und der Teefex in Person erwachte in mir. Einige der Kräuter wurden sofort verarbeitet, andere trocknen gerade über meinem Schreibtisch und werden nach und nach der Teezubereitung zugeführt.
Die Geduld aber hatte sich dennoch gelohnt und Latifundien mutiert derzeit vom nackerten Babypopo zum grün beflaumten Halbwüchsigen. Eine spätere Pubertät sozusagen, in nur einer Jahreszeit, was sage ich, in nur einem Monat.
Der Rest der Wiese, die bereits seit Anbeginn dort bestand, musste schon der Sense weichen, weil sie so hoch gewachsen war. Jawohl, der Sense! Als innerstädtischer, freiwilliger Nebenerwerbsbauer zweiter Generation habe ich das Sensenmähen als Knäblein in einigen Landurlauben schon mit dem Löffel gefüttert bekommen. Ein Bauer aus Krakaudorf in der Steiermark hatte damals die Geduld mir, als Stadtkind, das Sensen mähen zu lehren. Wie man sieht auch mit Erfolg, denn ich habe mir ein Sensenblatt, das ich schon einige Zeit, eigentlich nur als Zierde, über dem Schreibtisch hängen hatte, frisch gedengelt, geschärft und an einen nagelneuen Sensenbaum aus Eschenholz angepasst.
Diese Sense ist jetzt mein neues Arbeitsgerät. Geruchlos, ruhig, entspannend und um ein Modewort zu benützen sehr nachhaltig. Nach einem Nachmittag der Sensenübung ist man zwar müde von der Arbeit, und man spürt in so einigen Gliedern die Fehler, die man bei der Bewegung gemacht hat, aber man weiß auch wenigstens genau warum das so ist. Beigefügt sei auch, Latifundien ist zur Hälfte ein Hanggrundstück, wir sind somit irgendwie auch dem Status Bergbauern zuzuordnen.
Der Sensenmann allerdings sollte eher keine Fehler machen, denke ich bei mir und verkrümelte mich hinter dem warmen Ofen, von dem ich meine letzte Tasse Kaffee holte und genüsslich schlürfte, auf den Latifundien ist es nämlich noch etwas frisch am Abend.
© Andreas Tatowsky 2023-07-02