Lausparanoia

Armin Sauseng

von Armin Sauseng

Story

Zurück in Figline Valdarno. Zum ersten Mal seit dem Corona-Lockdown und den Grenzschließungen sind wir wieder in Irenes Heimatstadt. Oder Heimatdorf? Ich tu mir bei Figline da ein bisschen schwer. Blasse Touristen in kurzen Khakihosen gibt es hier, wie auch sonst überall in Italien. Vor allem kommt man hierher, um die Balze anzusehen. Das sind mittelhohe Gesteinsformationen in der toskanischen Landschaft, die wie erdige Leuchttürme zum Himmel ragen. Aber Stadt ist Figline trotzdem nur bedingt. Am ehesten noch am Piazza Marsilio Ficino mit den schönen Arkaden.

Die Menschen tragen konsequent Masken (nein, lieber historischer Leser, kein Karneval, sondern behördlich empfohlener Mund-Nasen-Schutz zur Eindämmung der Pandemie). Die Italienerinnen und Italiener, denen man oft undiszipliniertes Verhalten unterstellt, haben sich den Schutz ihrer Mitmenschen sehr zu Herzen genommen und Lehren aus der ersten Viruswelle gezogen. [Einige Wellen später muss ich mir jetzt doch diese eckige Klammer erlauben, um festzuhalten, dass es noch immer sehr ungewiss ist, ob und welche Lehren aus Corona gezogen wurden]. Ich nehme meinen Mund-Nasen-Schutz, den Irene für mich genäht hat, aus der Tasche und nähere mich der Trafik am Piazza. Ich überlege mir, ob ich eine Postkarte an Berni und Ana schicken soll, entscheide mich aber dagegen, weil wir ihnen jedes Jahr eine Karte von hier schicken und ihr Klo, wo sie diese aufhängen, schon bald voll ist.

Als Irene und ich gerade zur Post gehen wollen, packt sie mich am Arm und sagt: “Was sind das für ”animalini“ auf deiner Kappe und deinen Schultern?“ Sie wischt über mein Leiberl und ich nehme meine Kappe vom Kopf, um sie zu inspizieren. Es wuselt. Woher kommen die ganzen Krabbeltiere? Ich bin vorher kurz mit der Kappe an einem Strauch angestoßen. Bestimmt Läuse, meinte sie. Dieses Mal waren wir mit dem Nachtzug nach Italien gekommen, weil es so einfacher war mit unserem Sohn zu reisen. Das können wir anderen, reisenden Eltern nur empfehlen. Aber Irene hat schon während der Fahrt gemeint, dass es komisch riecht im Abteil. Ihrer Meinung nach waren es die Pritschen, auf denen man im Nachtzug liegt, die werden ja nicht gewechselt und sind bestimmt nur schwer zu reinigen.

Auch wenn ich mir sicher war, dass es sich nicht um Läuse handelte, lies ich mich dazu überreden, in die Apotheke zu gehen und der Apothekerin meine Haare zu zeigen. Plötzlich sprangen mehrere Ninjas aus ihren Verstecken und wirbelten um mich. Meine Haare wurden mit viel zu teurem Antilausapothekenshampoo gewaschen. Eine glättete meine langen Locken mit einem Glätteisen. Es war so arg! Dabei hat sich die Irene ja nur eingebildet, dass es Läuse waren. Ich bin mit meiner Kappe an einem befallenen Strauch angestoßen.

© Armin Sauseng 2020-08-27

Hashtags