Lebenslanger Begleiter

Esther M. Djahangiri

von Esther M. Djahangiri

Story

Als meine Mutter mit mir schwanger war, gab es noch keine Möglichkeit, im Vorfeld das Geschlecht des Kindes zu erfahren. Meine Eltern hatten keinen Zweifel, dass sie einen Wolfgang erwarteten.

Tja, sie bekamen aber eine Tochter. Es muss ein großer Schock gewesen sein, denn man war völlig ratlos, wie man dieses Mädchen nennen sollte. Wir lebten damals in der Schweiz und als die Nachbarin in Schwyzerdütsch meinte, dass sie mich doch „Esther“ taufen sollten, klang das vermutlich ganz nett. Also war mein Schicksal besiegelt. Für den Rest meines Lebens muss ich nun mit diesem Namen leben.

Ich mochte diesen Namen als Kind nicht, und auch jetzt, jenseits der sechzig, hadere ich noch immer mit ihm.

Es ist unglaublich, wie viele Schreibweisen schon dazu erfunden wurden. „Esther“ ohne th – aber das ist ein chemischer Begriff. „Ästa“ „Esta“ – der Fantasie sind offenbar keine Grenzen gesetzt.

Wer kann diesen Namen so aussprechen, dass es liebevoll klingt? Für mich klingt er immer wie ein Befehl. Wenn ich gerufen werde, muss ich den Drang, augenblicklich stamm zu stehen, mühevoll zurückhalten.

Und wenn wir schon beim Klang sind. Fast jeder Mensch ist verlockt, „Eeeeesta“ zu sagen. Ich erkläre dann immer, dass es Esther ist, so wie Schwester ohne Schw. … Mühsam!

2500 Zeichen reichen nicht, um alle Erlebnisse zu erzählen, daher beschränke ich mich auf zwei kurze Dialoge.

Als ich klein war, war dieser Name in Österreich noch kaum bekannt.

Folgende Situation passierte nicht nur ein Mal:

„Wie heißt du?“

„Esther“

„Nein, ich meine, wie heißt du mit dem Vornamen?“

„Esther“

„Du verstehst mich noch immer nicht: so, wie ich Grete heiße, wie heißt du da?“

„Esther“

„Kommst du aus dem Ausland?“

Während der Volksschulzeit sagte meine Freundin, die im selben Haus, aber auf einer anderen Stiege wohnte:

„Mein Vater hat gesagt, dass du froh sein kannst, dass der Hitler schon tot ist.“

„Den kenn ich nicht. Auf welcher Stiege hat er denn gewohnt? Und warum kann ich froh sein über seinen Tod?“

„Na, weil du Esther heißt und Locken hast.“

Ich verstand erst viele Jahre später, was der Vater gemeint hat.

Was mich wirklich irritiert, das ist die Tatsache, dass heute viele Menschen meinen, dass ich einen wunderschönen Vornamen habe. Sie verweisen auf das „Buch Esther“ in der Bibel und können nicht verstehen, dass es unzählige Namen gibt, die ich lieber hätte.

Schade, dass ich nie auf die Idee gekommen bin, die Reihenfolge meiner zwei Vornamen einfach umzukehren, denn mit „Maria“ hätte ich gut leben können.

© Esther M. Djahangiri 2019-08-16

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