Lebensunwisserin

Kann ich das mit dem großen Busen zurücknehmen?! Kann ich meine Busen retournieren? Ein Jahr Pille und die pure Explosion. Zehn Kilo. Mehr als die Hälfte landet auf meinem Brustkorb, der Rest auf den Hüften, wo ich sie nicht haben will. Ich will so sein wie die Olsen Twins oder wie Hilary Duff, davon bin ich aber so weit entfernt wie ein Elefant von einer Gazelle. Ich will Hüfthosen tragen und bauchfreie T-Shirts. Wenn ich beim H&M in die Kabine marschiere, komme ich heulend wieder raus. Keine einzige Jeans passt. Das Problem beginnt bei den Waden und reicht hinauf bis zu meinem Muffin Top (warum verpasst man Hüftspeck ein süßes Wort?! Glauben die Leute, dass er dadurch erträglicher wird?). Ich will so aussehen wie Prue aus Charmed. Ich will taff und schlagfertig sein. Oder so smart wie Hermine Granger von Harry Potter (minus dem Haarchaos). Selbstbewusst auftreten wie Angelina Jolie in Mr. & Mrs. Smith und mir damit von Mama nichts mehr gefallen lassen müssen. Erfolgreich sein und richtig gutes Geld verdienen. Herr je, ich will Brad Pitt zum Ehemann und Kinder mit dem schnuckeligen Typen von O.C. California – muss nicht unbedingt in dieser Reihenfolge geschehen!

Ein Lehrer will, dass wir daheim unsere Lebenspläne aufschreiben, das soll uns bei der weiteren Schulentscheidung helfen. Nach fünf Minuten gebe ich auf. Der Zettel bleibt leer. Ich schalte den Fernseher ein und die Welt aus. Malcom Mittendrin (weil es nachmittags keine guten Alternativen gibt), Eine Himmlische Familie (weil die alle so herzig sind), zwei Folgen Gilmore Girls (die Lorelai-Liebe ist groß – ich will auch so ein cooles Mama-Exemplar). Dann die Wiederholung von Grey’s Anatomy. Während der gesamten Zeit futtere ich Mini-Tiefkühlpizzen, die ich mir am Fließband in den Ofen schiebe. Sobald Mama die Einfahrt hochfährt, brösle ich mich ab, sprinte zum Esszimmertisch und tue so, als hätte ich seit Mittag gerackert wie eine Wahnsinnige. Mama beschwert sich über ihre Scheißarbeit. Ich beschwere mich über den vielen Lernstoff. Irgendwann streiten wir, weil ich keinen Hunger habe und sie darauf pocht, dass wir um halb sieben Essen („und wehe du isst nicht zusammen“). Ich würge die Spaghetti runter, denke die ganze Zeit daran, dass ich fett bin. Ich will nicht mehr fett sein. Warum weiß ich immer nur, was ich nicht will und nie was ich will? Zukunft ist Panik. Unendliche Optionen. Tausend Konsequenzen. Warum muss ich mich mit vierzehn entscheiden? Was, wenn ich die falsche Entscheidung treffe und auf ewig unglücklich bin wie Mama? Sie hält mir noch immer vor, dass ich ihr Leben ruiniert habe. Sie wollte auswandern, hatte Träume. Weg vom Kaff. Das ist auch mein großes Ziel. Weg. Am besten nach Hollywood, Schauspielerin sein, nicht ich sein müssen, sondern jemand besseres. Ein Haus in L.A. Die Oscars gewinnen.

Ich lese meine Pläne vor.

Sie sagen mir, dass ich unrealistisch bin.

Ich werde es ihnen zeigen.