von Lea Zimmermann
Endlich habe ich meinen ersten Roman auf story.one veröffentlicht: »Die Briefe der Dämonin«. Hier könnt ihr einen Auszug lesen. Viel Spaß 😉
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Kapitel 4
Éllise erstarrte. Lily hatte sie mit ihrem Vornamen angesprochen. Das hatte sie zuvor noch nie getan. Éllise hatte auch noch nie ihren Namen so ausgesprochen gehört und Sie war sich sicher, dass sich dieser Klang in ihre Erinnerungen einbrennen würde.
»Worauf wollen Sie hinaus, Ms Blake?«, fragte Éllise irritiert. Lily lehnte sich zurück und schluckte ihren Bissen herunter.
»Bitte nenn mich Lily. Wir sind doch unter uns Frauen.« Die Geschäftsfrau lächelte verschwörerisch, ehe sie fortfuhr. »Bist du wirklich glücklich?«
Das war eine sehr direkte Frage, wie Éllise fand, und sie fühlte sich zunehmend unwohl. »Ich verstehe nicht ganz. Warum sollte ich nicht glücklich sein?«
Lily sah sie lange an. Sie sagte nichts. Und doch war es, als würde sie die Stille komplett ausfüllen. Wollte diese geheimnisvolle und beeindruckende Frau wirklich wissen, wie es ihr ging? Éllise war darauf alles andere als vorbereitet.
»Ich bewundere Sie«, gab Éllise schließlich zu. »Sie sind unabhängig, sind nicht verheiratet, sie führen ein eigenes Unternehmen. Ich glaube, viele Frauen in meinen Kreisen verstehen Sie nicht, Ms Blake.«
Lily sah sie an, als wäre mit Éllise Worten alles gesagt. Ihre dunklen Augen fand die junge Frau plötzlich unheimlich.
»Éllise, kannst du dir vorstellen, dass du etwas Besseres verdient hast?«, meinte Lily ernst. Schon wieder hatte sie Éllises Namen so seltsam ausgesprochen. Éllise bekam eine Gänsehaut. In einem Versuch, der unangenehmen Situation oder vielmehr dem eindringlichen Blick ihres Gegenübers zu entkommen, stand Éllise ruckartig auf. Sie lief zum Spülbecken und suchte hektisch nach etwas, das sie tun konnte. Sie sah herab auf ihre Hände. Sie zitterten. Plötzlich spürte Éllise eine Hand in ihrem Haar. Sie hatte kein Geräusch gehört. Lily hatte sich geschmeidig wie eine Katze erhoben und stand nun direkt hinter ihr. Ganz dicht. Sie konnte den Atem der Frau in ihrem Nacken spüren. Er war warm wie eine Sommerbrise. Und doch lief Éllise ein Schauder über den Rücken. Sie hielt in ihrer Arbeit, das Geschirr zu schrubben, inne. Der Stoff raschelte leise, als Lily Éllises Körper streifte.
»Du bist wunderschön, Éllise. Weißt du das?«, raunte ihr Lily mit dunkler Stimme ins Ohr. Éllise bewegte sich nicht. Sie sagte nichts. Panik kroch in ihr hoch. Nicht, weil sie es nicht wollte. Sondern, weil sie Angst hatte. Angst davor, das Vertraute zu verlassen. Angst, sich ihren Gefühlen hinzugeben. Das war doch Unsinn. Was wollte diese Frau von ihr? Eine Person des gleichen Geschlechts zu lieben, war nicht richtig. Es war ein Vergehen. Eine Sünde.
© Lea Zimmermann 2024-09-01