Letzter Zug

Janine

von Janine

Story
1990 – 2050

Abends stieg ich nach einem anstrengenden Arbeitstag in den Zug nach Hause. Schwerfällig ließ ich mich auf den gepolsterten Sitz fallen, lehnte meinen Kopf gegen die Lehne und schloss für einen Moment meine Augen.

Erst als ich meine Augen wieder öffnete, bemerkte ich, dass ich eingeschlafen war. Überrascht setzte ich mich auf und sah mich um, ich war alleine. Alle anderen Sitze waren leer. Als ich durchs Fenster sah, sah ich nichts außer Dunkelheit, vermutlich befand der Zug sich in einem Tunnel. Und der Zug bewegte sich nicht, sondern stand still. Nach ein paar Minuten fühlte es sich komisch an, weshalb ich aufstand und Richtung Zugfahrerkabine lief. Die Tür zur Fahrerkabine war verschlossen, doch ich erkannte auch niemanden darin. Zaghaft klopfte ich an, doch mein Klopfen wurde energischer. “Hallo?!”, rief ich, doch ich erhielt keine Antwort.

Einige Minuten lang lief ich den Gang des Zuges auf und ab, doch ich war ganz alleine hier in diesem Zug, in diesem Tunnel, mehrmals rief ich um Hilfe und lief durch alle Abteile. Mein Handy war leer und ließ sich nicht mehr anschalten. Notrufsysteme gab es in diesem Zug seltsamerweise nicht, wobei das doch Pflicht war. Alles in mir sträubte sich dagegen, diesen Zug zu verlassen, doch vielleicht bekäme ich dann ein paar Antworten oder würde zumindest ein Notrufsystem finden. Als ich auf den Türöffner drückte, öffneten sich die Türen laut zischen. Das Geräuch hallte durch den Tunnel und ich bekam eine Gänsehaut. Mit zitternden Beinen stieg ich die Stufen hinab, kalte Luft emfing mich und ich fröstelte. Wärmend schlang ich meine Arme um meinen Oberkörper und sah mich um. Ängstlich lief ich um den Zug herum, doch sah auch hier keine Menschenseele. Planlos ging ich wieder zur Zugtür, ich wusste einfach nicht, was ich jetzt tun sollte.

Die Türen waren geschlossen und öffneten sich nicht auf Knopfdruck. Mehrmals drückte ich den Knopf, versuchte die anderen Knöpfe an den anderen Türen und wurde allmählich panisch. Tränen sammelten sich in meinen Augen und meine Sicht verschwamm. Der Zug zischte und ich zuckte zusammen, als das Geräusch durch den leeren, stillen Tunnel hallte. Ich lief nach vorne, doch es war kein Zugfahrer im Zug. Langsam rollte der Zug los und ich erschrak, als er losfuhr. Niemand fuhr diesen Zug, der immer schneller und lauter an mir vorbeizog. Er wurde immer schneller und ich starrte ihn regungslos an. Mein Herz raste und Schweiß brach an meinem gesamten Körper aus, ich versuchte neben ihm her zu laufen und schrie irgendwas. Bald sah ich nur noch sein Licht am Ende des Tunnels, bis auch das verschwand.

Stundenlang lief ich auf den Gleisen dem Zug hinterher. Ich war müde und erreichte nie das Ende des Tunnels, auch ein anderer Zug fuhr nie wieder durch die Dunkelheit. Es war kalt, ich hatte Angst und keine Hoffnung, hier jemals wieder hinauszukommen. Ich kam auch nie wieder heraus.

© Janine 2023-05-03

Genres
Spannung & Horror
Stimmung
Dunkel, Emotional, Mysteriös, Traurig, Angespannt
Hashtags