Der Name war Programm. 1986 tauchte Robert Liebling, schnoddriger Rechtsanwalt mit Berliner Schnauze und Kanzlei in Kreuzberg, erstmals im deutschen Fernsehen auf und wurde schlagartig zum Publikumsliebling. Die Rolle des ungehobelten Juristen mit Schlapphut, Zigarre und einer Vorliebe fĂŒr Waldmeister-Wackelpudding und schöne Frauen hatte sich der Drehbuchautor Jurek Becker ausgedacht und seinem langjĂ€hrigen Freund, dem Schauspieler Manfred Krug, auf den Leib geschrieben. âLiebling Kreuzbergâ wurde eine der erfolgreichsten Serie der deutschen TV-Geschichte.
Eine nicht-amerikanische Anwaltserie hatte es bis dato noch nicht gegeben. Hier wurde auf unterhaltsame Weise Einblick in die nicht immer leicht verstĂ€ndliche deutsche Rechtssprechung und den Kosmos eines typischen Berliner Kiez geboten. Dabei zeichnete Becker kein gefĂ€lliges Kreuzberg, wo die NĂ€chte lang sind und die Kneipen bunt und rappelvoll. Kreuzberg wurde in den ersten drei Staffeln als wildes Pflaster im Schatten der graffitibesprĂŒhten Mauer dargestellt: graue HĂ€userschluchten, schlaglochĂŒbersĂ€te StraĂen, unterlegt mit dem Soundtrack von Polizeisirenen und AutolĂ€rm. Das ideale Biotop fĂŒr Raubein Liebling, den Anwalt der kleinen Leute, der trotz seiner unkonventionellen Art die Sympathien meist auf seiner Seite hatte. Political correctness war dazumal noch ein Fremdwort.
Manfred Krug war eine Ausnahmeerscheinung. Geboren 1937 in Duisburg zog er als 12-jĂ€hriger nach der Scheidung seiner Eltern mit dem Vater nach Leipzig in die DDR. Er absolvierte eine Lehre als Stahlschmelzer, arbeitete vier Jahre in einem Stahlwerk und machte Abitur an einer Abendschule. Danach begann er mit dem Schauspielstudium in Ost-Berlin, das er mit der BĂŒhnenreifeprĂŒfung am „Berliner Ensemble“ abschloss. Die ersten Filmrollen lieĂen nicht lange auf sich warten. In KĂŒrze avancierte Krug zum beliebtesten Schauspieler der DDR und wurde auch als Jazz-SĂ€nger populĂ€r.
Als der Star 1976 gegen die AusbĂŒrgerung des Liedermachers Wolf Biermann protestierte, fiel er bei der Regierung in Ungnade und bekam keine Rollenangebote mehr. Im April 1977 stellte Krug einen Ausreiseantrag in die BRD, der genehmigt wurde. Seine Sicht auf die damaligen VorgĂ€nge schilderte er 1996 im Buch „Abgehauen“. Im Westen konnte Krug die Schauspielkarriere nahtlos fortsetzen, zuerst als Fernfahrer Franz Meersdonk in der Fernsehserie „Auf Achse“, als Tatort-Kommissar Stoever und in seiner Paraderolle in âLiebling Kreuzbergâ.
Krug, der am 2. Oktober 2016 in Berlin-Charlottenburg starb, war ein passionierter Tagebuchschreiber und riet jedem, ab 50 ein Tagebuch zu fĂŒhren, weil er dann mehr erlebe. Zum 85. Geburtstag am 8. Februar sind nun seine Aufzeichnungen von 1996 und 1997 unter dem Titel âIch sammle mein Leben zusammenâ erschienen. Sie zeigen ihn als unwiderstehlichen Egomanen – witzig, respektlos und verwundbar, wie die SĂŒddeutsche Zeitung vermerkte.
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© 2022-02-06