von JanGroenhain
Ein wunderbarer Sommersonntagnachmittag. Kaum Wolken sind am Himmel zu sehen, flirrende Luft, erwartungsvoll wie wir.
Wir sind in St. Leonhard im Passeiertal und steigen in den Bus, der uns Richtung Jaufenpass bringt. Wir haben etwas Verpflegung und warme Kleidung dabei. Am Abend kann es recht kühl werden auf dieser Höhe, auch im Sommer. Nach etlichen Kehren, kurz vor der Passhöhe, steigen wir aus, auf etwa 2000 m. Mit uns zahlreiche Andere, mit einem Lächeln im Gesicht. Eine Karawane bewegt sich zum kleinen Flecknersee.
Es sind schon recht viele Leute da, wir suchen uns einen Platz etwas oberhalb am Hang. Das Panorama ist grandios, erhaben. Der tiefblaue See liegt ruhig, die Berge spiegeln sich darin. Eine kleine Holzbühne ragt halb in den See hinein. Sie ist schon besetzt, mit Instrumenten und Verstärkern.
Kurz darauf dann Auftritt der vier Protagonisten. Herbert, Manuel, Heidi und Werner. Gemeinsam mit der Steirischen, mit Gitarre, Harfe und Kontrabass. Eine ungewöhnliche Besetzung. Alle sind exzellente Musiker, die vier vom Herbert Pixner Projekt.
Sie starten leichtfüßig in den Abend, weben behende ihre Klangteppiche mit brillanter Technik und unbändiger Spielfreude. Was ist es? Musik aus den Bergen, doch ganz anders. Alpine Weltmusik fern jeder Banalität. Unkonventionell auf jeden Fall, einmal eingängig und dann wieder schroff, einmal sanft dann wieder rockig wild, einmal rhythmischer Blues dann epische Elegie. Einfach nicht einzuordnen.
Steht die Steirische Harmonika oft als Synonym für beliebige Volksmusik, so hat sie Herbert Pixner in eine andere Dimension gehoben. Er ist der Gott auf der Steirischen und zaubert Unglaubliches aus ihr hervor.
Meine Partnerin hat Musik studiert und spielt auch ein solches Instrument. Natürlich weit weg von der Kunst des Herbert P. Aber sie ist ein großer Fan. Seit fünf Jahren haben wir jedes Jahr ein Konzert dieses Quartetts besucht. Dieses Mal jedoch ist es etwas Besonders, das Open Air hoch in den Bergen. In der Pause kann sie sogar mit dem Hauptakteur plaudern. Und ein Selfie gibts dazu.
Herberts Steirische liefert sich nun ein leidenschaftliches Duell mit Manuels Gitarre. Die Klangwolke surft über den See, über die Almwiese und hüpft auf die Bergrücken, tanzt dort entlang. Grandios.
Die Sonne neigt ihr Haupt und beginnt, langsam errötend, ihre Silhouette hinter den Bergen zu verstecken. Die Klangteppiche werden melancholischer, es wird kühler und wir ziehen uns unsere Jacken an, rücken näher zusammen. Mit der einsetzenden Dämmerung werden die Klänge ruhiger. Als es gänzlich dunkel wird, werden rund um den See Fackeln entzündet. Die Musik nimmt sphärische Töne an, tanzt auf den Flammen. Eine entrückte Atmosphäre. Als die letzten Töne verklingen wird es still. „Lost Elysium“ nannte sich das Programm, die verlorene Insel der Seligkeit. Ein Abend den man nicht vergisst.
Heuer wurden alle Konzerte abgesagt. Scheint, als ob es mit der Seligkeit vorbei wäre. (2019)
© JanGroenhain 2020-07-24