LĂĽcken im Sicherheitsnetz

verjue

von verjue

Story

Mexiko, Belize, Guatemala und jetzt also El Salvador. Ich merke mir nie, was jetzt der Name des Landes ist und was der Name der Hauptstadt. Wir sind in San Salvador in El Salvador. Oder war es doch El Salvador in San Salvador? Wie auch immer… Unser Ziel ist die Stadt Leon in Nicaragua. Wir wollen dort eine Freundin besuchen, die gerade ein Praktikum für ihr Studium absolviert. Der Flug nach Cancun war am günstigsten. Also verbinden wir den Besuch mit einem Road Trip. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln von Cancun nach Leon. Einen festen Zeitplan? Fehlanzeige. Viel Freiheit und Flexibilität? Yes, Baby! San Salvador, was sollen wir uns ansehen? Wir recherchieren die Adresse einer Touristeninformation. Dort angekommen erkennen wir, dass das Gebäude leider nur eine einzige Baustelle ist. Keine Information, was wir uns anschauen können, wie die Zeit vertreiben bis zur Weiterreise am nächsten Tag. Die Stadt ist abgefuckt. Wir schlendern durch schmutzige Straßen zurück zu unserer Unterkunft. Bei der Einreise in die Stadt sind wir mit dem Reisebus an einem Zirkuszelt vorbeigefahren. Unser Vermieter hilft uns dabei, herauszufinden, wann die nächste Vorstellung sein wird. Bis dahin sind es noch vier Stunden. In einem Spielwarenladen kaufen wir uns Uno Karten. Das Restaurant daneben wird unser Wohnzimmer, Cocktails, Nudeln und Uno füllen die Zeit… Die meisten Stühle im Zirkus sind leer. Mit den Premium-Tickets sitzen wir ganz vorne. Bunt gekleidete Artistinnen verbiegen ihre Körper, Clowns spielen die Trompete und Jongleure lassen Gegenstände kreisen. Eine gigantische Schaukel wird aufgebaut, auf der gegenüberliegenden Seite hängt ein Sicherheitsnetz von oben herab. Noch bietet es keinen Schutz, fünf Männer machen sich daran zu schaffen. Wo werden sie es wohl befestigen? Zwei Artisten steigen auf die Schaukel, sie bewegen ihre Körper schwungvoll in perfekter Synchronisierung. Die Schaukel beginnt zu schwingen, immer höher und höher. Als sie wieder einmal am Zenit angekommen ist, stellt sich einer der Männer an den Rand der Platform, geht in die Knie, löst die Hände von den Stangen, stößt sich ab und fliegt hoch in die Luft! Abgelenkt von der Vorführung hatte ich ganz vergessen, auf die Männer mit dem Sicherheitsnetz zu achten. Sie halten es immer noch in ihren Händen, es ist sonst nirgends fixiert! Der fliegende Artist wird ein fallender Artist, die Schwerkraft zieht ihn unbarmherzig Richtung unten. Unten ist das Netz. Und es hält, die Männer halten es fest! Mein Kopf ist gedankenleer, mein Mund steht wohl offen. Eine neue Erinnerung prägt sich ein. Die großen Löcher im Netz spielen da schon fast keine Rolle mehr.

© verjue 2021-03-11

Hashtags