von Helga M. Stadler
Auch wenn ich mich prinzipiell als modernen, liberalen und aufgeschlossenen Menschen bezeichnen würde, wenn auch schon 50plus, muss ich gestehen, ich habe bisher kaum SM-Erfahrungen gemacht. Liegt es an meiner katholischen Mutter, an der traditionellen Erziehung, an meinen Werte- und Moralvorstellungen oder vielleicht doch eher an meiner stark ausgeprägten Abneigung gegen Selbstdarstellung und die weit verbreitete Hosen-runterlassen-Mentalität?
Lust auf SM-Spielchen im Netz?
Facebook, Instagram, Pinterest, Snapchat, Twitter, Tumblr, XING, LinkedIn, YouTube, Tinder, TikTok und wie sie alle heißen mögen … bis vor kurzem habe ich versucht, ihnen möglichst aus dem Weg zu gehen und mich auch beharrlich geweigert, mir eigene Accounts zuzulegen. Denn bei Social Media-Plattformen denke ich unwillkürlich auch an eine versteckte Sado-Maso-Tendenz, muss man doch, meiner Meinung nach, ein bisschen sado-masochistisch veranlagt sein, um den Social Media-Konsum heil und unversehrt zu überstehen.
Wie ist es sonst zu erklären, dass sich Millionen von Normalos, und ich meine keine VIPs oder bekannte Celebrities – da gehört es zum kalkulierten Berufsrisiko – sich freiwillig einer ungefilterten Öffentlichkeit aussetzen und oftmals wüste Hass-Kommentare oder sogar Shitstorms über sich ergehen lassen?! Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass Beleidigungen und Beschimpfungen dieser Art, oft auch Drohungen, spurlos an einem vorübergehen … Oder warum sich vor aller Welt zum Affen oder Idioten machen, und für neue Follower oder mehr Likes Geist und Seele verkaufen?!
Und dann bin ich Anfang des Jahres – 2020 sollte ja MEIN Jahr werden – tatsächlich mal kurz fremdgegangen, wenn auch anfangs unter Zwang. Ein Tinder-Account als Geburtstags-Geschenk machte mir noch weniger Freude als mein Alter und nach exakt sechs Wochen voll peinlicher und Fremdschäm-Momente war ich endlich wieder auf Social Distancing.
Ja, bis … Tochterkind mich einige Wochen später wutentbrannt anschnauzte, was zur Hölle in mich gefahren sei, mich bei Instagram anzumelden und, dass das in meinem Alter so was von peinlich sei. What – ICH? – niemals – Never-Ever! Als sie mir schwarz auf weiß den Beweis vorlegte, stammelte ich etwas von „die wollten doch nur meine E-Mail-Adresse“ und löschte rápido den vor sich hinsiechenden Account. Das wirklich Merkwürdige an der ganzen Aktion war, dass mir einige skurrile Leute folgten wie auch der ehemalige Klassenvorstand von Tochterkind … Also aus mein Traum vom erfolgreichen Instagram-Model!
Die Entdeckung dieser AutorInnen-Plattform Anfang des Jahres, ihr wisst schon welche ich meine, stellte meine bisherige SM-Welt dann vollkommen auf den Kopf. Häufiger als mir lieb ist, ertappe ich mich jetzt dabei, wie ich mich über jeden wertschätzenden Kommentar, Herz-Likes, Chat-Partner und neue Follower freue – und vor euch ausgiebig und gerne Seelen-Striptease betreibe!
Und das andere SM kann warten …
© Helga M. Stadler 2020-08-31