Mein Vater, 1930 geboren, war nicht einfach. Wie viele Väter dieser Generation. Aber in mancher Hinsicht sicherlich seiner Zeit voraus.
Wir Mädchen hatten ebenso selbstverständlich den Führerschein zu machen, wie die Jungs in der Familie. „Der Führerschein gehört zur Allgemeinbildung!“ konstatierte er häufig.
Das Argument meiner Mutter, Mädchen bräuchten keine Fahrerlaubnis, denn sie würden ohnehin eines Tages in den Autos ihrer Verehrer umhergefahren, fand er völlig absurd.
Seiner Haltung entsprechend pflegte er eine spezielle Erziehung.
Unterricht geschwänzt? Erst bei Tagesanbruch nach Hause gekommen? Sich kaum 15-jährig auf der Fasnacht übermütig in am Obstler ausprobiert?
So etwas hatte er besonders gern!
Ein bisschen Schlaf gestand er zu, aber kurz vor sechs im Morgengrauen lag seine bevorzugte Zeit der Vollstreckung. Nicht genug, dass man kaum die kaum die Augen öffnen konnte, der Kopf schmerzte und im Rachen der Pferdefüßige saß, es schallte unerbittlich ins Zimmer:
“Aufstehen! Ab in die Garage! Du weißt, was zu tun ist!“
Seine gern verhängte Strafe war, Reifenwechseln lassen. In der Eiseskälte der Herrgottsfrühe. An seinem riesigen, amerikanischen Kombi.
Das hieß, alle vier Räder von der Wand hieven.
Was waren die schwer! Erst recht nach einer durchzechten Nacht!
Und los gings mit dem Wagenheber. Die Jahreszeit war unerheblich. Nach getaner Arbeit und kritischer Überprüfung durch den Patriarchen und seine Stoppuhr musste anschließend der vorherige Zustand wieder hergestellt werden. Also erst Winterräder runter, Sommerräder drauf und nach Abnahme durch “seine Heiligkeit“ durfte man das Ganze wieder rückgängig machen!
Eine andere, beliebte Strafe war sein „Motorraum-Verhör“:
“Wo ist der Bremskraftverstärker?“
„Wo ist der Verteiler?“
„Welches ist das Zündkabel?“
… und wehe die Antwort kam nicht prompt!
Bei größeren Vergehen verhing er auch schon mal einen Ölwechsel.
Schwere Kost mit Brummschädel!
Ich habe es gehasst. Natürlich! Da er selbst kein KFZ-Mechaniker war, hegte ich den Verdacht, er wartete nur darauf, dass eine von uns etwas angestellt hatte, damit er sich nicht selbst die Finger ölig machen musste.
Ich überlasse es Ihnen, von meiner bis heute erhaltenen Fähigkeit, unter 30 Minuten vier Reifen wechseln zu können, auf meine Übungsstunden und damit auf die Anzahl meiner pubertären Vergehen zu schließen. Aber er hat damit erreicht, dass keines von uns Mädels je Angst vor technischen Dingen hatte. Wir wussten alle, mit Steckschlüsseln, Bohr- und Schleifmaschinen umzugehen und uns gerade mit dem Auto selbst zu behelfen.
Er hat uns jede technische Tätigkeit selbstverständlich ebenso zugetraut, wie einem Jungen, uns sinnvoll strafend gleichzeitig Eigenständigkeit beigebracht und unser Selbstvertrauen gestärkt.
Ungewöhnlich, damals.
Danke Paps!
Und gestern war ich wirklich pünktlich zu Hause!
Foto: Idar Garifullin / unsplash.com
© Cornelia Morhardt 2020-06-14