Mal den Teufel an die Wand! I

Reinhard Schwarz

von Reinhard Schwarz

Story

Eines Tages kam Till Eulenspiegel ins Land der Birnen und des Mostes. Er war noch nie in dieser Gegend gewesen, hatte aber schon viel von den Menschen und ihrem Respekt vor dem Überirdischen gehört. In einem kleinen Flecken im Tal eines grünen Kogels und eines waldigen Berges wollte er rasten und ließ sich auf der Terrasse des rosa Kaffeehauses nieder. Bald erschien die Wirtin, die ihn um seine Wünsche fragte.

„Ei, der Wünsche habe ich viele“, meinte Till, „und Ihr könntet mir einige davon erfüllen!“ „Nun, das hängt in erster Linie von Eurem Geldbeutel ab“, gab die Wirtin zurück. „Wenn er gut gefüllt ist, lässt sich sicher einiges machen!“

Da musste Till traurig den Kopf schütteln. „Oje“, sagte er, „dann schaut es schlecht aus. Aber einen Wunsch könnt Ihr mir auch ohne Geld erfüllen: Gebt mir Arbeit!“

Die Wirtin dachte eine Weile nach. Endlich meinte sie bedächtig: „Da wüsste ich vielleicht sogar etwas für dich. Sei morgen früh wieder hier! Jetzt aber jausne ordentlich.“

Das ließ sich Till natürlich nicht zweimal sagen, langte fleißig zu und war am nächsten Tag pünktlich zur Stelle.

„Nimm diesen Korb mit Semmeln und Weckerln“, befahl ihm die Wirtin, „und trage sie in die Schule. Die Kinder werden sie dir abkaufen.“

Till hatte aber schon schlechte Erfahrungen mit übermütigen Kindern gemacht. Daher wiegte er voller Bedenken sein Haupt und meinte: „Das will ich wohl tun. Was aber, wenn die Kinder kein Geld mithaben? Oder wenn ich zuwenig Semmeln mithabe? Oder wenn sie um ein Weckerl zu streiten beginnen? Oder wenn sie mir den Korb ausleeren? Oder wenn sie mir nicht zahlen wollen?“

Die Wirtin erschrak. Was diesem Menschen einfiel! So durfte man hierzulande nicht sprechen! Das hieße ja alles zu verschreien und das Unglück geradezu herbeizureden!

„Aber geh!“, rief sie daher. „Mal gleich den Teufel an die Wand!“ Damit meinte sie, man solle das Böse nicht herbeirufen, sondern dort lassen, wo es hingehört, nämlich in die Hölle. Das wusste Till aber nicht.

Eulenspiegel zuckte nur die Schultern, ergriff den schweren Korb und machte sich auf den Weg. Ich soll gehen und den Teufel an die Wand malen, dachte er, nun gut, das kann ich.

In der Schule stellte er den Korb in die Halle, fand eine Schachtel voller Kreiden und begann einen großen Teufel an die Wand zu malen: Erst die spitzen Hörner, die lange, rote Zunge, das zottelige Fell und schließlich den Schweif und den Bocksfuß.

„Schön schiach“, sagte er zu sich, „das wird die Kinder abhalten, sich an meinen Weckerln und Semmeln zu vergreifen!“ Er war mit seinem Werk sehr zufrieden, und gespannt wartete er auf die Pause und auf die Kinder. → 2

© Reinhard Schwarz 2022-01-22