von Carmen Kiseljak
Wir sind 4,5 Jahre auseinander und benehmen uns teilweise wie zwei 8-JĂ€hrige, was unsere Eltern oft verzweifeln lĂ€sst, diese zum GlĂŒck aber auch vom Humor gekĂŒsst sind. Ich wollte jedenfalls nie, dass mein kleiner Bruder genauso schusselig wird wie ich. Zwischen all den Katastrophen und Dummheiten, die uns prĂ€gen, kann ich jedoch mit voller Stolz sagen, dass wenn es darauf ankommt, sich doch GlĂŒck im Chaos befindet. Die Krankheit Aufschieberitis, sprich Prokrastination, haben wir erfunden. Jedoch nicht in dem Sinn, Kleinigkeiten um eine kurze Zeit zu verschieben, sodass man trotzdem noch locker easy alles meistern kann. Sondern, bei uns zwei Sonnenkindern, ist es so weit ausgeprĂ€gt, dass wir fĂŒr eine LehrabschlussprĂŒfung sowie fĂŒr eine SemesterprĂŒfung nur einen Tag vorher mit dem Lernen beginnen. Damit will ich keinesfalls irgendwem ermutigen spĂ€ter zu lernen oder gar damit angeben, nein. Im Gegenteil sowie uns teilweise der Kopf geraucht hat, gefolgt von Aggressions und VerzweiflungsausbrĂŒchen, wĂŒnsche ich das wirklich niemandem. Fakt ist, wir haben oft versucht, auf unserer Mutter zu hören und rechtzeitig mit dem Lernen zu beginnen-Vergebens. Letztes Jahr hatte ich meine erste SemesterprĂŒfung und wollte meinen inneren Schweinehund besiegen und einmal im Leben gut vorbereitet sein. Alle fingen schon Monate lang vorher an. Ich natĂŒrlich gerade mal 4 Tage. Zu meinem groĂen GlĂŒck habe ich es geschafft, sogar mit gutem Erfolg. Schwor mir aber das nĂ€chste Mal etwas klĂŒger zu sein. Anstatt mir mehr Zeit zu nehmen, zog ich schlauer Zapfen sogar noch mehr ab und begann einen Tag vorher. Um ehrlich zu sein durchgeblĂ€ttert und âbegonnen hereinzuschauenâ tat ich allerdings wieder 4 Tage vorher. In diesen Tagen war ich ein nervliches Wrack, zickig und aggressiv ohne Ende. Richtig gelernt eben am Tag davor und habe es zwar wieder geschafft mit gutem Erfolg, jedoch in einem Bereich, und zwar Krise war es ziemlich knapp. Kein Wunder, ich hatte ja auch eine Krise.
Nun zu meinem jĂŒngeren & besseren Geschöpf. Meinem kleinen Bruder, nennen wir ihn Franjo, stand seine LehrabschlussprĂŒfung bevor. Mit den Worten meiner Mutter, redete ich auf ihn ein, wenn es nicht schon anflehen war, er solle bitte rechtzeitig lernen. Als hĂ€tte ich mit meiner AutotĂŒre gesprochen, so sinnvoll war meine Aktion. Jedenfalls am Abend zuvor, saĂen wir, wie so jeden Abend zusammen und ich fragte ihn, wie es ihm geht. Nervlich ziemlich am Ende ĂŒberkamen ihn die Selbstzweifel. Er gestand, dass er sich noch so gut wie garnichts angeschaut hatte und jetzt damit beginnen wĂŒrde. Als ich mein Spiegelbild sah, verlieĂ ich den Raum, sodass er lernen konnte. Am nĂ€chsten Morgen brachte ich ihn, ohne Schlaf zur Schule und wartete. NervositĂ€t und VorwĂŒrfe begleiteten mich die nĂ€chsten Stunden.
Als er plötzlich mit einem LÀcheln auf mich zu rannte. Er hatte es geschafft. Niemand lernt wie der andere. Alle haben eine unterschiedliche Vorgehensweise.
Und ich war Stolz.
© Carmen Kiseljak 2021-08-13