Mein Credo

MISERANDVS

von MISERANDVS

Story

Die Schulzeit hält ja wenig erbauliche Ausflüge bereit. Doch auf die eine Woche im Ausland für die Wahlsprachen-Fächler freut sich nun wirklich jeder. Die “Franzosen” müssen nach Paris. Geschieht denen recht! Und wir Italiener, wir dürfen nach Rom. Die ewige Stadt! Ich fühl mich gleich zuhause. Und weil ich dank meiner zwei vergeudeten Jahre in der HTL schon volljährig bin, kann Frau Professor nicht viel sagen, als ich mir mein erstes Bier bestelle an dem Abend. Die anderen, die “Kinder”, schauen neidisch und süffeln Cola. Mit fortschreitendem Abend schreitet auch mein Konsum voran. Und irgendwann gegen 23 Uhr hocke ich an einer Bar und bin mit einem Schwarzen in ein intensives Gespräch vertieft, auf Italienisch – versteht sich. Er fühlt sich von mir sehr verstanden. Tatsächlich aber wird er von mir nur rudimentär verstanden, was mit meiner schwindenen Kenntnis des italienischen Vokabulars bei gleichzeitig steigendem Promillegehalt im Blut zusammenhängt. Irgendwann schnallt er das und wechselt zu Englisch. Now we’re talking! Ich bestell mir noch ein Bier, höre dabei nicht mehr zu, was der Schwarze mir erzählt, und als er mich fragt: “Yu bilib dat?” Nicke ich emsig. Wo bleibt denn nur der Papagallo mit meinem Hopfenblütentee? “Yu bilib dat?” fragt der Schwarze wieder, etwas Nachdruck in der Stimme. “Yes, man! I do! From my heart of hearts.”, sage ich und denke: “Komm! Was soll’s! Egal, worum’s geht, ich geb dem mal Recht. Da freut er sich bestimmt.” Da beginnt der Schwarze plötzlich zu schreien, wird ganz hektisch und schmeißt mir eine Handvoll Knabberzeugs an den Kopf. “YU BILIB DAT?”, brüllt er, und mir wird aus dem geschrienen Wortfetzen klar, ich hab grade erklärt, dass ich aus ganzem Herzen glaube, dass schwarze Menschen weniger wert sind als weiße. Aha! Das war also das Thema! Ich überlege, schwer illuminiert, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Das wird nicht leicht. Als der Mensch an meiner Seite tatsächlich versucht, mich zu packen, stehen auf einmal drei “Schränke mit hohen Stirnen” in ärmellosem Leder und mit einschlägigen Aufnähern hinter ihm, fassen beherzt zu, und der tobende Schwarze macht einen unfreiwilligen Abgang durch die Tür nach draußen. Kein Zweifel: Die drei DO bilib dat! Dann kreisen sie mich ein, wollen wissen, woher ich komme. Ich sage leise in den Geruch von Schweiß und Alkohol: “…Austria.” “Aaaah, Austriaco!“, raunen sie und schlagen mir brüderlich auf die Schulter. Ich bekomme ein Bier spendiert und bin wohl grade unfreiwillig Ehrenmitglied in einem Verein geworden, in dem ich nicht Mitglied sein möchte. Aiuto! Plötzlich steht meine Professorin da. Und wie eine Xanthippe keifend, jagt sie die drei Glatzen in die Flucht. Als sie mich am Schlafittchen packt und rauszerrt, lalle ich dankbar: “Grazie mille!” Ich bekomme eine Kopfnuss verpasst, lerne ein neues italienisches Schimpfwort.

Meine Magistra war eine echt starke Frau. Dat’s wot ei bilib!

“Grazie per così tanto, Magistra!”

© MISERANDVS 2021-09-05

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