Mein erster Flug

Story

Als ich das erste Mal ein Flugzeug bestieg, war ich schon 22 Jahre alt. Dafür ging es gleich nach Amerika und das noch dazu ganz allein. Mein Damals-noch-nicht-Ehemann – wir waren nämlich nie im klassischen Sinne verlobt – arbeitete für drei Wochen an einem Forschungsprojekt bei General Electric in Schenectady, einer kleineren Stadt im Norden des Staates New York. Ich sollte nachkommen, denn danach wollten wir eine Ferienreise machen. So musste ich also in New York noch umsteigen und nach Schenectady fliegen, wo er mich abholen würde. Meiner Mutter allerdings, die ohnehin schon mehr als besorgt war, erzählte ich, ich würde schon in New York abgeholt werden. Die Wahrheit hat sie nie erfahren.

Ich hatte keine Ahnung, wie es auf Flughäfen zugeht. Nur das, was man in Filmen landläufig sieht, war mir bekannt. Von meinem späteren Mann bekam ich Schilderungen und Tipps, besonders was die Einreise in die USA betraf und das Umsteigen in New York, wo ich mit dem Bus zu einem anderen Terminal fahren musste.

In Wien klappte alles klaglos, aber bei der Einreise in New York füllte ich dann irgendetwas auf dem Formular falsch aus, und da die dortigen Einreisebeamten ihren schlechten Ruf nicht umsonst haben, wurde ich wieder ans Ende der Schlange zurückgeschickt. So war ich bei der Gepäckausgabe schon sehr spät dran und stand plötzlich in der Baggage-Claim-Halle (Gibt es dafür auch ein deutsches Wort?) vor einer schier unüberschaubaren Menge an Koffern, die alle auf dem Boden standen, während die Bänder leer herumliefen. Vor lauter Nervosität stolperte ich über einen Koffer – und es war meiner!

Wäre das nicht passiert, hätte ich ihn wohl nie wieder gesehen. Jedenfalls gab ich den Koffer wieder auf, denn nach Schenectady hatte er leider nicht durchgecheckt werden können, wohl, weil die Fluglinie, die dorthin flog, nicht groß genug war. Ich fand auch den Bus, der mich zum anderen Terminal brachte, und dann sogar noch die kleine Hintertür, die zu einer fragil wirkenden Propellermaschine mit ca. 15 Sitzplätzen führte.

Als alle schon saßen, stieg der Pilot mit einem Becher Kaffee in der Hand ein, hinter einer mit einer bunten Blumentapete beklebten Schiebetür war das Cockpit. Aber es gab sogar eine Stewardess, die auf dem einstündigen Flug Getränke und Snacks servierte. In Schenectady wurde ich, wie vereinbart, abgeholt, der Koffer kam allerdings erst mit dem nächsten Flug nach.

Genau genommen war das aber gar nicht mein erster Flug, denn dieser fand ein Jahr zuvor mit einem Hubschrauber statt, als auf einem Feld etwas außerhalb meiner kleinen niederösterreichischen Heimatstadt Rundflüge angeboten wurden. Es gab Platz für jeweils fünf Passagiere, und mit etwas Glück und Schnelligkeit ergatterte ich den Platz neben dem Piloten, denn ich hatte zuvor gesehen, dass der Hubschrauber im vorderen Bereich einen Glasboden hatte. Der etwa zwanzigminütige Rundflug führte sogar genau über unser Haus. Am besten gefiel mit der Blick direkt nach unten.

© 2022-11-10