von Hannes Steiner
Dieser Spruch steht auf einem geschwungenen, 180 Zentimeter langen Brett über dem Eingang meines schmalen, jedoch weitläufigen Gartens.
Mein Grundstück misst an der schmalsten Stelle drei und an der breitesten neun Meter. Dafür ist es aber über 400 Meter lang und überwindet einen Höhenunterschied von 90 Metern.
Es ist keine Kunst, im Frühling den Garten zu lieben, wenn man endlich rausgehen kann, sich der Schneeglöckchen erfreut und Leberblümchen, wilde Hyazinthen und selbst gepflanzte Krokusse bewundert. Bald darauf beginnt die heikle Magnolie als erster Baum zu erblühen, dicht gefolgt von allen Obstträgern.
Im Sommer ist es noch viel weniger eine Kunst, seinen Garten zu lieben. Die Sonnenblumen, die vereinzelt das Grundstück zieren und nur deshalb da sind, weil die Samen von irgendwo hergeflogen sind, wirken wie von der Natur gesetzte Beleuchtungskörper. Sie überragen alles, was sonst so zahlreich von selbst erblüht.
In meinen Garten wird so wenig wie möglich eingegriffen. Alles darf sich so entwickeln, wie es will oder das benachbarte Gewächs zulässt. Lediglich in Breite meines Akku-Rasenmähers wird regelmäßig ein Weg gemäht, zur Begehbarkeit des Grundstückes.
Es handelt sich um eine typische Fahnenparzelle mit lösshaltigem Weinviertler Boden, die aufgrund ihrer Beschaffenheit für landwirtschaftlichen Ertrag ungeeignet war.
Das Wort Ertrag führt uns automatisch in den Herbst. Wer da seinen Garten nicht liebt, hat nie einen angestrebt oder sollte ihn so rasch wie möglich wieder verkaufen. Besonders stolz bin ich auf den riesigen Feigenbaum, der seit über zehn Jahren alle erfreut, den großen Kiwistock, der acht Jahre vergeblich auf eine Partnerin wartete, bis er endlich draufkam, dass er selbstbefruchtend ist, und auf die Vielzahl der verschiedenen Weintrauben, die bestens gedeihen. Jedes Jahr im August besuche ich die Tullner Messe, um einen neuen, möglichst ausgefallenen Stock zu erwerben.
Nein, nicht die schönen Jahreszeiten sind es, die meiner bescheidenen Meinung nach, den wahren Gartenliebhaber auszeichnen! Nein, es ist der Winter! Wer bei tiefen Temperaturen Gärtner ist, ist es aus wahrer Leidenschaft. Zu tun gibt es genug, wenn man nur will. Der erwähnte Höhenunterschied bietet zusätzlichen Reiz. Wenn unten der Essigbaum noch mit seinem rotorangen Blattkleid an den Indian Summer erinnert, kann es ganz oben schon die ersten Spuren von Eis geben. Wenn unten die kälteempfindlichen Dahlien durch den ersten Frost dahin sind, dann kann es oben schon leichten Raureif geben. Wenn unten ein typisches Matschwetter ist, kann man eventuell oben schon mit den Enkelkindern einen kleinen Schneemann bauen. Und das ist so wichtig. So lernen die Nachkommen, den Garten auch im Winter zu lieben.
Und wer es versteht, Gartenliebe im Winter aufzubauen, der kann nicht umhin, seinen Garten das ganze Jahr über zu lieben und zu genießen.
Und das ist gut so!
© Hannes Steiner 2021-04-17