Mein Leben, meine Entscheidung

Christine Büttner

von Christine Büttner

Story

Im Besonderen ist zu bemerken, ich war ein unerwünschtes Kind, denn meinetwegen musste geheiratet werden. Mein Vater gerade mal 20 Jahre alt und meine Mutter 17. Ich höre heute noch die Worte meines Vaters: „Mein ganzes Leben war verhaut, weil du unterwegs warst, ich konnte Mutti doch nicht im Stich lassen!“ Ehrlich gesagt, machten mich diese verletzenden Worte sehr traurig und bis heute kann ich nicht nachvollziehen, dass man die Schuld auf ein Kind schiebt und nicht zu den „Verwirrungen“ in der Jugendzeit steht.

Von Anfang an lief die Ehe meiner Eltern mehr schlecht als recht und es stand für meinen Vater immer fest, ich allein hatte sein Leben durcheinandergebracht. Meine Mutter, eine schwarzhaarige zierliche Person, die man als Tagträumerin bezeichnen konnte, mein Vater, ein attraktiver großer blondhaariger Mann mit Starallüren und einem ausgeprägten Hang zum Macho passten so überhaupt nicht zusammen. Zwei vollkommen verschiedene Welten, die da aufeinander prallten.

Gedankensplitter tauchen auf und ich sehe eine schwarzhaarige Puppe vor mir, die ich über alles liebte. Ich kann mich gut erinnern, wie ich ihr echtes Haar frisierte und ihr manchmal einen oder zwei Zöpfe geflochten habe. Sie begleitete mich täglich in den Kindergarten und wurde meine beste Freundin. Ich feierte mit ihr Geburtstag und auch sie bekam ein kleinesTortenstück, das dann Mutti schnell aß. Besonders aber liebte ich es, sie immer wieder anzuziehen, denn obwohl wir damals nicht viel Geld besaßen und meine Eltern hart arbeiten mussten, strickte und nähte meine Mutter wunderschöne Kleider für Frieda. Diesen Namen hatte ich meiner Puppe gegeben, denn es war der Kurzname von meiner Mutter, die Gottfrieda hieß.

Ich erinnere mich an das erste Fahrrad, das ich mit acht Jahren geschenkt bekam, mein Vater hatte es aus alten Teilen zusammengeschweißt und ich fühlte mich mehr als erwachsen, denn in unserer Siedlung konnte ich fahren, weil keine Polizei zugegen war. Mein rosafarbenes Firmkleid mit Spitzen, die Mutti unermüdlich aneinandergenäht hatte, der Maturaball und immer wieder die Kämpfe mit meinem Vater, der nie wollte, dass ich eine Matura ablegte und schon gar kein Studium beginnen sollte. Ich musste mir meine Ausbildung mehr als hart erkämpfen und erarbeiten.

Meine Mutter unterstützte mich halbherzig bei meinen Träumen, aber immer stand das Arbeiten an erster Stelle. So musste ich im Garten Steine klauben, kochen, das ganze Haus putzen, meine Kindheit verlief meistens ohne Spiele, denn ich musste mein Tagespensum nach der Schule oder nach den Vorlesungen erfüllen. Das war eine harte Zeit, denn in der Nacht büffelte ich für meine Seminare an der Uni.

Die Worte: „Ein Mädchen braucht nicht zu studieren, die heiratet sowieso und dann ist alles umsonst gewesen“, höre ich noch immer. Heute weiß ich, dass nichts umsonst gewesen ist, denn mein Traumberuf als Deutschprofessorin zu unterrichten, erfüllte sich und macht mich stolz!

© Christine Büttner 2021-06-17

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