von Gabriele Leeb
Gerade habe ich einen Artikel über den ersten Kuss gelesen.
Ich erinnere mich genau daran. Wir waren beide 13 Jahre alt und Nachbarskinder und wir gingen spazieren. Zuerst gab er mir ein Bussi, dann noch eines und plötzlich hatte ich seine Zunge im Mund. Oh, wie ekelig! Wir haben es nie wieder getan und blieben „unschuldig“ befreundet. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass mir sie jemals so gefallen würden, diese Zungenküsse.
Dann, ich war 15 und er 18, hat er mich auf den Geschmack gebracht. Es waren nur drei Wochen, doch ich war noch nicht soweit, es war nur ein Ausprobieren, ein Herantasten. Leidenschaftliche Küsse und ein Fummeln unter dem Pullover. Mehr nicht.
Mit 17 die erste große Liebe. Ich werde es nie vergessen. Ich habe ihn nie vergessen. Gerade in letzter Zeit denke ich oft an unsere erste Begegnung und seinen roten Renault. Die Küsse waren aufregend, heiß und feucht, leidenschaftlich. Am nächsten Tag war meine Unterlippe blau angeschwollen und ich im siebten Himmel. Seine Küsse waren Geborgenheit und geiler Genuss gleichzeitig.
Vor einigen Tagen habe ich erfahren, dass sein Elternhaus zum Verkauf steht. Dort habe ich 3,5 Jahre später meine „Unschuld“ verloren, eher mein Jungfernhäutchen, da ich da gar nicht mehr so „unschuldig“ war. Es war wundervoll, er war wundervoll und er hat großen Anteil daran, dass ich Spaß und so ein entspanntes Verhältnis zum Sex habe.
Danach kam meine Schulliebe, die nach drei Wochen tragisch endete. Auf der Fahrt zu mir hat er sich mit seinem Auto überschlagen und eine wunderbare Liebe ging zu Ende. Seine Küsse waren wild und schmeckten nach Abenteuer.
Ich zermartere mir meinen Kopf, doch ich kann mich nicht an den ersten Kuss mit meinem Exmann erinnern. Ich habe überhaupt kein Gefühl mehr dafür. Wir hatten auch irgendwann einmal eine schöne Zeit, doch die „bösen“ Jahre haben bei mir anscheinend alles zugeschüttet, zugedeckt. Physische und psychische Gewalt haben die letzten zwei Jahre unserer Ehe geprägt und auch noch viele Jahre nach unserer Scheidung.
Zwanzig Jahre war ich dann ohne Beziehung bis mein Liebster kam. Die Küsse und der Sex waren einfach nur himmlisch, doch ich war nur seine Affäre. Ich brauchte ein Jahr, bis ich die Trennung verarbeitet hatte und ich hege keinen Groll mehr gegen ihn, ich empfinde eher Dankbarkeit und ich erinnere mich gerne an unsere Leidenschaft.
17 Monate bin ich nun ungeküsst. Doch was soll’s. Dornröschen musste 100 Jahre warten auf ihren ersten Kuss.
Foto: Pinterest/Rachael Derheim
© Gabriele Leeb 2025-01-27