Mission: IKEA

Viktoria Waba

von Viktoria Waba

Story

„Sprich mir nach. BESTÅ.“ „BESTÅ.“, wiederholt Steffi. „Mehr wollen wir nicht. BESTÅ TV Bank, keine Pflanzen, Duftkerzen, Kuscheltiere oder Lichterketten, nur BESTÅ. Verstanden?“ Meine Freundin nickt nervös. „Ok gehen wir nochmal alles durch: Lageplan?“ „Hier.“ „Regalnummer?” „09.” „Fachnummer?“ „01.“ „Schwedisches Wörterbuch?” „Det är här.”

Gemeinsam atmen wir noch einmal tief durch und nehmen uns an den Händen. „Na dann.“ Mit einigen zögerlichen Schritten treten wir vor den gelben IKEA Schriftzug, der unsere Freundschaft, ähnlich wie die Feuer- und Wasserprobe aus Mozarts „Die Zauberflöte”, auf den Prüfstand stellen wird. „Und denk dran, was auch immer passiert – niemals umdrehen.”

Wir überschreiten die Schwelle zur Unterwelt. Es ist ruhig. Zu ruhig. Misstrauisch gehen wir weiter. Doch die Apokalypse lässt nicht lange auf sich warten. Schreiende Kinder, die gelangweilt in den Einkaufswägen von ihren müden Eltern durch das Labyrinth geschoben werden, streitende Paare, die sich nicht über die Farbe ihrer Vorhänge einigen können und nun ihre ganze Beziehung überdenken und mittendrinnen zwei Hunde, die jeweils diese Hölle auf Erden zu ihrem Revier erklären wollen.

„Schnell! Pack den Lageplan aus!”, befehle ich Steffi, die ihn mit zitternden Händen aus ihrer Tasche kramt. „Blicke unten halten!”, erwidert sie. Langsam drängen wir uns durch die verzweifelten Seelen, die sich in dem unfassbar großen Angebot verloren haben. „Ich habe Angst.”, flüstert Steffi. „Sieh sie nicht an, das sind keine Menschen mehr.”

Und plötzlich aus dem nichts – ein Sonderangebot. Die Massen stürmen an uns vorbei und mit letzter Kraft versuche ich mich an der Hand meiner Freundin festzuhalten, ehe sie von der Menge hinfort getragen wird. „STEFFI!!!”, schreie ich voll Verzweiflung. Doch zu spät. Sie ist weg.

Es wäre doch so einfach gewesen: Schnell durchmarschieren, ein oder zwei Veggie Hotdogs beim Ausgang verdrücken und wieder nach Hause. Und nun ist sie weg. Wieso muss das jedes Mal so passieren? Ich möchte nicht mehr grundlos um drei in der Früh aufwachen, um lauthals „IKEA” zu brüllen.

Moment mal…es ist ja Samstag! Samstags gibt es in diesen Hallen keinen Gott. Das wars. Ich bin verloren.

Mit keiner Liste und keinem Plan bleibt mir nun nichts anderes übrig als den ganzen Weg ohne Steffi zu gehen. Ohne sie bin ich schwach. Ich kann nicht widerstehen, VARDAGEN, LEDDJUR und FALLENHET kommt zu mir! Eins nach dem anderen landet in meiner blauen IKEA Tasche. Ich verhalte mich wie dieses gefressige Kind aus Charly und die Schokoladenfabrik und je schwedischer etwas klingt, umso mehr muss ich es haben. Ach IKEA nirgends sind sich Freud und Leid so nah.

In der Lagerhalle angekommen, treffe ich nun endlich auf Steffi. Sie ist etwas zerzaust, hat einige Pflanzen in ihrem Arm und strahlt so hell wie die Lichterketten, die sie um ihren Hals trägt. „Nächstes Mal schaffen wir es bestimmt!”, sage ich zu ihr, während wir uns auf den Weg zur Kassa machen.

© Viktoria Waba 2021-09-07

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