von Jamal Tuschick
Kein Mensch könne auf dem verlorenen Posten einer unmoralischen Haltung stur bleiben, behauptet R. Ich widerspreche. In seinem 1827 erstmals publizierten essayistischen Meisterwerk „Der Mord als eine schöne Kunst betrachtet“ plauderte Thomas de Quincey aus dem britischen Upperclass-Nähkästchen. Er offenbarte dem Publikum die Existenz einer „Gesellschaft zur Förderung des Lasters“. Der „Höllenfeuerklub“ wurde von Sir Francis Dashwood (1708 – 1781) gegründet und diente ähnlichen Gesellschaften als Vorbild.
Der Politiker Dashwood, 11. Baron le Despencer, von 1762 bis 1763 Schatzkanzler der Krone, war als radikaler Libertin bekannt. Der Zweck seines Hellfire Clubs war die sexuelle Perversion. Die Eingeweihten praktizierten satanische Rituale. Dashwood inspirierte zumal seine Grand Tour, die er 1726 unternahm. Er verbrachte viel Zeit in Italien und gab seinen Obsessionen einen klassisch-antiken Anstrich. Dilettantismus war für ihn kein Schimpfwort, sondern beschrieb ein Ideal. 1732 gründete er die Society of Dilettanti. In diesem Rahmen ging es um Verbindungen von Kunst und Kulinarik auf Exzessniveau.
Bruderschaften, die im Zynismus schwelgten, die Sittlichkeit des Volkes verachteten und aus schierem Mutwillen schändlich handelten, entsprachen einer Mode des 18. Jahrhunderts. Privilegierte feierten schwarze Messen und hielten Hochämter der Verderbtheit ab. De Quincey spricht von einer Epidemie edler Verruchtheit, die sich in ganz England ausbreitete. Der Autor erwähnt den Medmenham Club, der seine geheimen und blutigen Treffen in einem aufgegebenen Zisterzienserkloster abhielt – der Medmenham Abtei in Buckinghamshire. Das 1201 von Hugh de Bolebec gegründete, 1536 aufgelöste und vorübergehend im Besitz von Francis Dashwood befindliche Kloster lag direkt an der Themse.
Prominente Angehörige des Orgien Ordens waren George Bubb Dodington (1. Baron Melcombe und Spion), John Wildes (Politiker, Journalist, Schriftsteller und britischer Casanova), Charles Churchill (Dichter, Satiriker), Robert Lloyd (Dichter, er starb nach Jahren rücksichtsloser Verschwendung 1764 restlos ruiniert im Gefängnis), Benjamin Bates (Arzt, Kunstkenner), Paul Whithead (Satiriker und Club-Sekretär mit Gefängniserfahrung) und schließlich William Stanhope, 2. Earl of Harrington. Der Politiker und Militär war seiner Ausschweifungen wegen verschrien als „the goat of quality – Ziegenbock der Qualität“. Er wohnte quasi im Bordell von Sarah Prendergast. Seine Frau, Caroline Stanhope, Gräfin von Harrington, avancierte zur Galionsfigur der weiblichen Demi-Monde. Auf soziale Ächtungen reagierte sie mit der Gründung eines Clubs für Kurtisanen – „The New Female Coterie“. Die Deklassierten tagten in dem Bordell, das Carolines Gatten als zweites Wohnzimmer diente.
In Brighton entstand ein Club zur Bekämpfung der Tugend und in London bildete sich eine Assoziation zur Förderung des Mordes unter künstlerischen Gesichtspunkten.
Ein passioniertes Verhältnis zu Mord und Totschlag – im Klub der Mordkünstler renommierte man mit seinen Fertigkeiten beim Erstechen von Menschen. Man bestand darauf, in jedem Fall Amateur zu bleiben; das Morden sollte nicht in Arbeit ausarten.
© Jamal Tuschick 2024-10-24