Morgen ganz sicher …

Katharina L

von Katharina L

Story

Einmal im Jahr brauche ich den Toni, der Bäume fällen kann, an die sich sonst keiner herantraut. Mit meiner Kleinstlandwirtschaft ohne Maschinen bin ich auf Leute wie ihn angewiesen. Leider schaffe ich es einfach nie herauszufinden, wann (oder ob überhaupt) der Benötigte zu erscheinen beliebt. Es werden immer nur Möglichkeiten angedeutet, die offenbar einen weiten Interpretationsspielraum zulassen.

Es ist Sommer und ich rufe Toni an. Er verspricht, „auf d’Nocht“ vorbeizukommen und sich die Sache anzuschauen. Der Abend zieht sich mit der Warterei auf Toni in die Länge, es wird dämmrig, dann finster. Nach fünf weiteren Telefonaten über die nächsten Wochen gebe ich auf. Es ist mir peinlich, ihn so oft zu belästigen. Und dann kommt er eines Tages doch vorbei. Er steht plötzlich unangekündigt im Hof, als ich gerade in „Stadtkleidung“ zum Auto eile, weil ich zum Zahnarzt muss. Also Termin verschieben, umziehen und ab in den Wald. Toni hat Vorrang. Wir schauen uns eine Fichte an, die vom Borkenkäfer befallen ist. „Jo, so und so, des wird schua geihn.“ Der Baum steht am tiefsten Punkt eines steilen Grabens mitten im Wald, ist unvorstellbar alt und hoch. Als Kinder nannten wir ihn „König des Waldes“. Die Seilwinde wird gerade lang genug sein, um den Baum in eine sichere Fällrichtung zu ziehen. Eine große, morsche Rotbuche muss auch gefällt werden. „Jo, ruafst mi au, wenn’s Wetter passt!“ Ich schöpfe Hoffnung.

Winter. Grauer Hochnebel drückt aufs Gemüt. Der Boden ist endlich gefroren und daher befahrbar. Das Wetter passt, doch Tonis Seilwinde ist kaputt. Er verspricht, sich zu melden, sobald sie repariert ist. Bei den Nachbarn türmt sich inzwischen schon das Holz. Später sehe ich Toni ein paar Mal auf seinem Traktor vorbeifahren. Er winkt mir zu, aber bleibt nie stehen, um mit mir zu reden. Ungeduldig greife ich zum Handy: „Hättest einmal Zeit für mich?“ – „Jo, wenn i aus der Quarantäne draußn bin!“

Vom Sommergrün des Waldes hebt sich der braune Wipfel der Fichte ab. Jetzt brauche ich Toni nicht mehr hinterher zu telefonieren, denn der letzte Regen hat den Weg in den Wald für den schweren Traktor unbefahrbar gemacht. Also bleibt der tote Baum einstweilen stehen.

Die große Buche hingegen, auch zum Fällen markiert, stürzt an einem ruhigen Spätsommertag einfach um. Ein lautes Krachen, Blätterrauschen, dann Stille. Ich laufe aufgeregt den Nordhang hinunter. Da liegt der mächtige Baum in der Wiese. Die Ziegen kommen und beginnen an dem frischen Laub zu fressen. Ich bin dankbar, die schwerste und gefährlichste Arbeit ist getan. Wenn es immer so einfach wäre!

Es ist Herbst, trocken und sonnig. Jetzt wären die Bedingungen perfekt. „Geht’s dir irgendwann aus wegen dem Käferbaum?“ – „Jo, heit nimma, aber wenn murgn kua Wind geht, kimm i.“ Ein kurzer Blick auf ZAMG: Morgen ist Wetterumschwung, es wird föhnig und wechselhaft. Ob das noch was wird?

© Katharina L 2021-04-12

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