von Johann Köppel
Es geht schlicht um meine Frisur im Lauf der Geschichte. Man darf sich jetzt nichts Dramatisches erwarten. Meine Dauerwellen haben nicht die Katastrophe von Tschernobyl ausgelöst und mein Mittelscheitel hat nicht die Berliner Mauer zu Fall gebracht. Mein Seitenscheitel war nicht im Bild, als Alois Mock, nicht weit von hier, den letzten noch stehenden Teil des Eisernen Vorhangs für die Presse zerschnitten hat.
Beginnen wir im Jahre 1969. Laut Wikipedia sind am gleichen Tag wie ich vier nennenswerte Personen geboren. Zwei Sportler, die noch leben und zwei Künstler die schon gestorben sind. Ich will jetzt nicht die lebensverlängernde Wirkung des Sportes daraus ableiten. Frisurtechnisch war da, aufgrund fehlenden Haupthaars, noch nicht viel zu holen. In den 70er Jahren hatte ich die übliche Frisur der Landjugend – den klassischen Reindlschnitt. Reindl drauf – rundherum abschneiden – fertig. Wenn ich mir die Fotos von damals anschaue, war da wohl nicht immer ein hauptberuflicher Frisör anwesend.
In der Pubertät begannen auch die haarigen Experimente. Seitenscheitel, Mittelscheitel, einmal sogar eine Dauerwelle. Wir versprühten tonnenweise Haarspray und haben sicher zum Entstehen des Ozonlochs beigetragen. Das positive – es gab damals keine Handys und daher von den Experimenten so gut wie keine Fotos.
Im Jahre 1984 hat meine Frisur doch die Innenpolitik entscheidend beeinflusst. In der HAS hatte ich eine Lehrerin die fast jede Stunde verzweifelt versuchte, mir einen geraden Mittelscheitel zu kämmen. Nachdem sie daran kläglich gescheitert ist, ging sie in die Politik und war sogar drei Jahre lang Gesundheitsministerin. Auch wenn der Zusammenhang zwischen meiner Frisur und ihrer Politkarriere nicht bewiesen ist – Ich weiß es!
Nachdem ich mir 1988 beim Bundesheer ein letztes Mal die Haare bis zum Hemdkragen (Ich war ein Revoluzzer) wachsen ließ, begann danach die pragmatische Frisurphase. Kurzer Maschinenschnitt mit wechselnden Bärten wobei ich zu guter Letzt beim pflegeleichten Vollbart angelangt bin. Um meine Frisur kümmert sich seit Jahren eine fahrende Frisörin und schneidet mir die lichter und heller werdende Haarpracht – 3 mm an der Seite und 6 mm oben. Dass ich dabei mit allen Top-News versorgt werde, ist der Bonus der eine klassische Frisörin ausmacht.
Da meine liebe Frisörin aufgrund von COVID nicht tätig ist, haben meine Haare eine Länge erreicht, die sie seit den 80ern nicht mehr hatten. Der Leidensdruck war so groß, dass die bEva (=beste Ehefrau von allen) sich überreden ließ, mir die Haare zu schneiden. Sie verwendete unterschiedliche Aufsätze und war der Verzweiflung nahe. Nachdem ich wie ein mottenzerfressener Teppich ausgesehen habe, beschlossen wir den Radikalschnitt. Als sie die Tränen getrocknet hatte und mir über das kahle Haupt strich, sagte sie: „Eigentlich schaust voll scharf aus.“
Und so schließt sich der Kreis und nach 50 Jahren habe ich dieselbe Frisur wie am ersten Tag.
© Johann Köppel 2020-04-11