Nein, geschlagen hast du mich nie.

Nein, geschlagen hast du mich nie. Deine Hand ist niemals wirklich gegen meinen Körper geknallt. Aber jedes Mal, wenn du vor mir gestanden bist und gebrüllt hast, so laut, dass manches Mal die Nachbarn angerufen und gefragt haben, was los ist, jedes Mal, wenn du dich in deine cholerische Wut hast fallen lassen und dich wie ein hungriger Wolf vor mir aufgebaut hast, weil ich einmal nicht als unbemerkbare Erweiterung deines Selbst funktioniert habe, hatte ich Angst, dass du es tun würdest. Dass es diesmal kippen würde, weil du die Kontrolle verlierst. Dass du all die Kraft, die in deiner Stimme lag, in deine Hände fließen und gegen meinen Körper würdest prallen lassen. Also sagte ich ja, zu allem, was du verlangt hast. Ich gab alles zu, ich stimmte allem zu, ich willigte zu allem ein. Und lächelte. Denn erst dann beruhigtest du dich.

Ich lächelte gegen den Schmerz und ich lächelte gegen die Übelkeit. Ich lächelte gegen die Angst. Ich lächelte gegen die Einsamkeit, gegen die Traurigkeit, gegen meine Verständnislosigkeit und gegen die Wut.

Denn jedes gottverdammte Mal, wenn der Schlüsselbund durch die Wohnung flog hatte ich Angst, dass Glas splittern würde oder Fliesen brechen. Jedes Mal war ich sicher: das nächste Mal würde er mich treffen. Und manches Mal, wenn du gedroht hast, gegen einen Baum zu fahren, hoffte ich einfach nur auf Stille.

Doch die Stille kam nicht. Nicht von dir. Sie kam von mir. Ich wurde still. Ich wurde blind. Ich wurde taub. Lange Zeit wurde ich sinn-los und ließ dein cholerisches Wesen über mich ergehen, wenn dir danach war. Bis zu diesem Sommer. Als du vor mir standest wie ein Wolf und zum Brüllen ansetztest, während deine Lefzen deine Reißzähne entblößten und dir der Geifer aus den Winkeln deines Mauls rann, brüllte ich zurück. Ich brüllte dir alles entgegen, was so lange still gewesen war, was so lange schweigen musste. Ich wurde der Tiger und ich bekämpfte den Wolf. Und ich siegte. Fürs erste.