von Sofia Scherer
Nach einiger Zeit wurden die Besuche bei Nico kein Zuckerschlecken mehr. Er bekam einen Mitbewohner: Nero. Schwarz-weißes Fell, Augen Satans und alles andere als eine reine Seele. Die Katze aus dem Tierheim. Im Grunde liebe ich Katzen, und noch schöner, wenn sie aus dem Tierheim gerettet werden. Doch Nero? Nero! Nero war keine Katze. So etwas ist mir in meinen mindestens 15 Jahren als Katzenmama noch nie untergekommen.
Ich: „Gräbt Nero in seinem Katzenklo ein
Loch oder was?“
Nico: „Nein, er ist ein Bagger!“
Beispiel 1: Nero saß auf der Kücheninsel. Er starrte mich an, blickte mir direkt in die Seele. Dann rümpfte er kurz die Nase, legte die Ohren an, um dann – mit einem großen Satz auf den Küchentisch, genau in meine Richtung zu springen. Bevor er mich je angreifen konnte, war ich schreiend zur Seite gesprungen oder benutzte das Geografiebuch als Schild. Manchmal kam er auch hinterlistig von der Seite angeschlichen und sprang auf die Rückenlehne meines Stuhls. Nein danke. Streicheln traute ich mich erst gar nicht. Hatte ich ja auch keinen Grund zu! Bin ja nicht lebensmüde!
So einige Male stellte ich mir vor, wie der Kater aus Versehen vom Balkon fiel und leider, traurigerweise nie mehr nach Hause zurückkehrte. Aber Niko liebte dieses Sauvieh über alles und amüsierte sich höllisch, wenn dieser kleine Teufel schon wieder versuchte, mir meine Augen aus dem Gesicht zu kratzen. Ich war mir bewusst, dass das arme Tier irgendwo an einem Fluss gefunden wurde und deshalb hochgradig traumatisiert war – dennoch entschuldigt das NICHT derart asoziales Verhalten! Oder? Aber leider habe ich bis aktuell keinen Katzenpsychiater gefunden, der ihm Besseres belehren könnte.
Ein anderes Beispiel: Ich saß wie immer auf meinem Platz. Auf dem Stuhl links von Nico, damit ich ihm schön ins Heft schauen konnte. Nero schlich sich unter dem Tisch heran, sprang plötzlich hinter mir auf den Stuhl. Ich hatte keine Lust mich mit ihm anzulegen, und sprang sofort auf, um mich auf den freien Stuhl auf der anderen Seite des Tischs zu setzen. Nico konnte es nicht lassen, diesen Moment mit einer Videoaufnahme festzuhalten und hinter der Kamera dreckig zu lachen, während ich panisch um Hilfe rief.
Als ich von meinem Jahr in Dänemark zurückkehrte, hatte Nero scheinbar vergessen, dass er mich ja eigentlich umbringen wollte. Er begrüßte mich, indem er freundlich um meine Beine streifte und sich dann mit einem Seufzer zufrieden in seinen Korb legte. Wenn er in seinen Aggressionsmodus umschaltete, lenkte er seine Aufmerksamkeit jetzt auf etwas anderes: meinen Rucksack. Er kratzte, wälzte sich daran und sprintete verrückt davon, wenn ich ihn vorsichtig wegscheuchte. Damit konnte ich echt leben. Doch so ganz vertrauen kann ich dem Kater immer noch nicht. Meine Angst war nicht mehr groß, doch wenn er bei Streicheleinheiten sich plötzlich ruckartig bewegte, zucke ich immer noch zusammen. Dieser Kater hat mein Vertrauen zerstört und wird es so schnell nicht wieder bekommen.
Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.
© Sofia Scherer 2025-02-20