NEUE MEISTER

Hubert Thurnhofer

von Hubert Thurnhofer

Story
Wien

„Die Leute gehen ja nur in das Museum, weil ihnen gesagt worden ist, dass es ein Kulturmensch aufzusuchen hat, nicht aus Interesse, die Leute haben kein Interesse an der Kunst, jedenfalls neunundneunzig Prozent der Menschheit hat kein Interesse an Kunst.“ In Galerien gehen diese Kulturmenschen nur, um bei Vernissagen ihre primitivsten Bedürfnisse zu befriedigen. Auf Kosten des Galeristen Wein trinken. Ja nicht einmal zivilisiertes Trinken kann man bei Vernissagen beobachten. Spätestens nach einer Stunde stehen nur noch Flaschen herum, leere Flaschen auf den Tischen und volle Flaschen in der ganzen Galerie, und vor der Galerie und bis auf die Straße! Der Galerist kann sich gegen die Niederträchtigkeit der Säufer und Landstreicher, die seine Galerie mit absoluter Regelmäßigkeit heimsuchen, nicht wehren. Also kann sich der Galerist nur rächen und schenkt nur den billigsten Fusel aus, was diese Säufer und Landstreicher naturgemäß niemals bemerken, weil sie schon in einem Zustand in die Galerie kommen, der ihnen gar nicht ermöglicht noch irgendetwas zu bemerken. Erst Tage oder Wochen nach einer Vernissage kommen wieder nüchterne Leute, sogenannte Kulturmenschen, in die Galerie. „Die Russen sind voll Bewunderung. Die Polen betrachten alles mit Hochmut. Die Deutschen schauen im Kunsthistorischen Museum die ganze Zeit in den Katalog, während sie durch die Säle gehen, und kaum auf die an den Wänden hängenden Originale, sie folgen dem Katalog und kriechen, während sie durch das Museum gehen, immer tiefer in den Katalog hinein, so lange, bis sie auf der letzten Katalogseite angelangt und also wieder aus dem Museum draußen sind. Österreicher, insbesondere Wiener, gehen nur wenige ins Kunsthistorische Museum, wenn ich von den Tausenden von Schulklassen absehe, die jedes Jahr ihren Pflichtbesuch im Kunsthistorischen Museum absolvieren. … Es gibt keinen billigeren Kunstgeschmack, als den der Lehrer.“ Und es gibt keinen teureren Kunstgeschmack als den der Superreichen und Halbsuperreichen aus Amerika, China und Russland, die den Kunstmarkt leer kaufen, wie es heißt. Diese Superreichen und Halbsuperreichen zahlen Unsummen für die gefragtesten Künstler, „die zu gewissen Zeiten, wenn es Mode ist, ganz einfach bis zu einer welterregenden Ungeheuerlichkeit aufgeblasen werden.“ Scheinbar zahlen sie ein Vermögen, in Wahrheit aber nur Peanuts. Bei ihren kriminellen Börsengeschäften und Finanztransaktionen stopfen sich die amerikanischen und chinesischen und russischen Finanzhaie ihre unersättlichen Riesenmäuler mit Peanuts voll und kaufen sich damit die teuersten Bilder, die sie in den korruptesten und verrottetsten Auktionshäusern in London und New York finden können. Den teuersten Kunstgeschmack jedoch haben die reichen Österreicher mit ihrem ordinären Reichtum, der seit Generationen, von Generation zu Generation immer kleiner wird, während deren Allüren von Generation zu Generation immer größer werden. Diese provinziellen Reichen mit ihren mickrigen Besitztümern befriedigen ihre Allüren in den Wiener Auktionshäusern, wo sie sich bei jeder Versteigerung hineinsteigern um die bedeutungslosesten und wertlosesten Bilder, die sie sich in Wahrheit schon längst nicht mehr leisten können, zu ersteigern. Diese Großgrundbesitzer, Industriellen, Notare und Sektionsleiter schleppen ihren Provinzmief wie die Pest seit Generationen nach Wien.


© Hubert Thurnhofer 2024-01-15

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