Nie mehr Geburtstag feiern

Stefan Perner

von Stefan Perner

Story

05.10.2007

Geburtstag! 24 bin ich geworden. Natürlich wird das gefeiert. Nicht groß. Aber man trifft sich mit Freunden. Trinkt ein Bier. Umarmt sich. Plaudert. Angeheitert ins Bett. Normal. Bis zu diesem Moment!

Das Telefon läutet mitten in der Nacht! Ich dreh mich um. Hat morgen auch Zeit, denk ich mir im Dusel. Es läutet wieder! Immer wieder! Meine Freundin hebt dann ab. „Stefan! Dein Papa ist gestorben!“

Diesen Satz höre ich heute noch! Seine Freundin – sie waren im Urlaub auf den Kanaren – rief an. Herzinfarkt!

Stocknüchtern war ich plötzlich! Die Welt geht unter! Jetzt bin ich alleine!

Vor genau 11 Jahren hat sich meine Mutter am Tag vor meinem Geburtstag das Leben genommen. Wir lebten in einem alten Bauernhaus. Dort wo früher Oma war. Die Eltern geschieden. Als ich die Augen öffnete wusste ich, dass etwas nicht stimmt. Die Vorhänge waren noch zugezogen. Kein Feuer im Herd, der sonst Wärme spendet. Die Stube am Oktobermorgen bitterkalt. Als kleiner Junge habe ich gesucht bis ich sie fand. Zu spät!

Seit diesem Tag lebte ich mit meinem Vater. Geschwister hatte ich nicht. Meinen Geburtstag habe ich dann lange nicht mehr gefeiert. War lange schwarz gekleidet. Zurückgezogen. Eigen. Die Schulnoten sanken ins Bodenlose. Zur Matura reichte es nicht.

Über die Jahe hinweg ging es wieder bergauf. Fuß gefasst im Beruf. Meinen Weg eingeschlagen. Die Vergangenheit ein Stück verdrängt. Der nächste Schock war ein Anruf, dass ich sofort ins Krankenhaus kommen soll. Vater auf der Intensivstation mit einem Infarkt. Dieses mal ging es gut aus. Er erholte sich rasch. Änderte seinen Lebensstil nur für kurze Zeit. Stürze sich bald wieder in die Arbeit. Bürgermeister war er. Ein Provinzpolitker, für den seine Gemeinde absolut über allem stand! 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag. Wenn um 4 Uhr früh Jäger an der Tür läuteten, weil sie einen kapitalen Hirsch in der Gemeindejagd erlegt hatten, wurden sie empfangen und ein Bier getrunken. Für ihn kein Beruf, sondern Berufung.

Doch dann wiederholte dich die Geschichte! Oktoberanfang. Geburtstag. Augen öffnen. Todesnachricht!

Da sitzt man da mit tränenverquollenen Augen. Spürt nur Trauer und Leere. Da denkst dir „Scheiße! Was mach ich jetzt?!?“

2 Wochen später haben wir ihn dann zu Grabe getragen. Sogar die halbe Landesregierung war da. Feuerwehren aus Deutschland und Kroatien. Am Sportplatz aufmarschiert, weil sonst nirgends so viel Platz war. Leute von überall. Mit dem Sarg einmal noch durch den Ort marschiert. Sirene. Kirchenglocken haben Sturm geläutet.

Dann war es vorbei. Ein Kapitel geschlossen. Meine Welt war leer. Ich ging weg. In die große Stadt nach Wien. Dort begann für mich ein neues Kapitel meines Lebens. Die Leidenschaft zum Reisen entwickelte sich.

Seitdem feiere ich nicht mehr Geburtstag. Halt nicht geplant. Sondern eher zufällig. Wenn jemand bei einem Bier sagt: „Hey! Du hast ja Geburtstag!“

Der Moment in dem ich dann nicht weiß, ob ich feiern oder trauern soll.

© Stefan Perner 2020-04-30

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