Niedere und ebene Minne

Florian Mayer König

von Florian Mayer König

Story

Florian Benedikt Mayer

Die niedere, vagantische Minne beschreibt den zumindest einmaligen Liebesakt zwischen einem Ritter und einem nicht standesgemäßen Mädchen. Diese Dichtung wirkt lebendiger, wahrhafter und lebensnaher als die hohe Minne. Allerdings übernehmen die Dichter hier leider oft gerne die Ansicht der damaligen Theologen, es müsse zwischen geistig wie geistlich edler, also strikt platonischer Liebe, und weltlicher, also schlechter Liebe unterschieden werden. Dem zu Folge bürgerten sich auch entsprechend spiegelgleiche Artenpaare, nämlich hier vergeistigt-platonische, also gute, und dort weltliche, also schlechte Liebe ein. Die hohe Liebe wurde zur vernünftigen Liebe, die niedere zur blind-trügerischen Liebe. Diese Prägung und Begriffslast zeugte sich noch Jahrhunderte später fort. Dass die Menschheit aus Zeugungsakten hervorgeht und stets hervorging, wurde dabei geflissentlich übersehen. Allerdings gab es auch noch die ebene Minne. Hier wird die Entscheidung dem Mädchen, der Frau überlassen. Eine Art früher Vorwegnahme der weiblichen Emanzipation. Das Werben des Mannes tritt in den Hintergrund. Schon bei Walther von der Vogelweide zeichnet sich neben der Trennung und Unterscheidung der Minnearten ein ansatzweises Ineinanderfließen aller drei Minnearten statt. Ein bedeutender Vertreter der niederen Minne war Neidhart von Reuental 1190-1245. Er saß gerne und oft nach den Sonntagsmessen im Ort Königsstätten im niederösterreichischen Tullnerfeld neben dem Kirchenportal und neckte mit seinen Liedern junge Mädchen und Frauen. Von ihm sind uns 140 Lieder überliefert. In der Tuchlaubengasse Nr.19 in der Wiener Innenstadt steht ein mittelalterliches Haus mit gut erhaltenen profanen, gotischen Fresken. Sie stellen Szenen aus Liedern von Neidhart, wie dem Veilchenschwank, dar. Neidharts Gebeine ruhen in einem gotischen Hochgrab, mit dem Dichter in Körpergröße als Halbrelief der in Stein gemeißelten Grabplatte an der Außenseite des Stefansdomes, direkt neben dem romanischen Tympanon des Hauptportals.

© Florian Mayer König 2022-07-09

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