Nowodjewitschi Friedhof Moskau

Story

Aus meinem „Moskauer Tagebuch“ vom 19.11.2003:

Fahrt zum Nowodjewitschi, ältester Moskauer Friedhof. Zufällig hab ich auf dem riesigen Gelände das Grab von Chruschtschow gefunden, daneben, ohne Bild und ganz unbedeutend klein, nur ein Deckel aus Marmor, seine Frau Nina. Nowodjewitschi war nach Chruschtschows Begräbnis, der aus der Partei gejagt wurde und daher nicht an der Kremlmauer begraben wurde, jahrelang gesperrt, weil man Tumulte befürchtete.

Aus Wikipedia: Das im Jahr 1524 auf Veranlassung des Großfürsten von Moskau Wassili III. gegründete Neujungfrauenkloster besaß auf seinem Gebiet einen Kirchhof, der im Laufe der Zeit zu einem Begräbnisplatz der Oberschicht wurde. Zunächst wurde hauptsächlich der Moskauer Adel und Klerus hier beerdigt, später zunehmend auch Kaufleute, Professoren, Feldherren und Künstler.

Seit Sowjetzeiten ist der Nowodjewitschi-Friedhof ein reiner Ehrenfriedhof, auf ihm werden also bedeutende Politiker, Künstler, Wissenschaftler oder Militärangehörige beerdigt. Wegen des überhandnehmenden Besucherstroms und beginnendem Vandalismus (der Kopf des Chruschtschow-Grabmals soll umgeworfen worden sein) hatte die Moskauer Verwaltung um 1980 angeordnet, nur noch Angehörigen den Zugang zum Friedhof zu gestatten.

Die so ausgesperrten in- und ausländischen Besucher kritisierten die Schließung für die Allgemeinheit mit den Hinweisen, dass „… nun sogar noch nach dem Tode die Privilegien einiger Gruppierungen der Gesellschaft fortwirkten“. Das führte dazu, dass es bald wieder Zutritt für jedermann gab. Zitat Ende.

Viele Helden der Arbeit und Leninordenträger sind hier mit großen Steinplastiken verewigt. Schaljapin hab ich gefunden und Tupolev (Flugzeugkonstrukteur). Auf seinem Grab lagen die meisten Blumen, viele rote Nelken. Interessant auch Kalaschnikow’s Grab, Konstrukteur des gleichnamigen Schießeisens, das heute weltweit über 100 Armeen und Terroristen jeder Couleur verwenden.

Ich wollte gerade gehen (es war sehr kalt im November 2003), als mich ein alter Mann, er hieß Mikhail, ansprach und fragte, ob er mir noch weitere Gräber zeigen dürfe. Er humpelte stark und kannte den Friedhof in- und auswendig. Wohl sein zweites Standbein und eine einträgliche Geschäftsidee.

Er hat mich dann noch sehr lange von einem interessanten Platz zum anderen geführt. Von Gogol, Tschechow, Puschkin, Majakowski, Tolstoi, Eisenstein, Stanislawski, Schostakowitsch, Molotov, Stalins 2. Frau, zu Gorbatschow’s einziger Frau Raissa. Gorbi hat seiner Frau einen weiblichen Engel in voller menschlicher Größe aufs Grab gesetzt. Ich hätte noch stundenlang zuhören können, aber ich fror wie eine Schneiderin. Mikhail nahm für die Führung „Sto“, also hundert Rubel, damals ca. öS 40.-.

Sehr „beeindruckt“ hat mich der Schießprügel von Kalaschnikow in Originalgröße. Sieht man bei uns eher nicht so als Zunftzeichen am Grab. Prawda? Na, vielleicht, wenn der Glock stirbt…

© 2019-12-27

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