Ödipussi

Silvia Peiker

von Silvia Peiker

Story

Wer die wohlproportionierte Komik von Pappa ante portas in behaglicher Erinnerung behalten hat, der wird Loriots höchst unterhaltsamen Festtagsreden, die unter dem wenig originellen Titel Sehr geehrte Damen und Herren ... zu allen erdenklichen Anlässen erschienen sind, so wie ich als Perlentaucherin auf den heiteren Grund gehen. Denn wenn der Meister des pointierten Humors die gar nicht so simple Unterscheidung in U- oder E-Musik trifft, wobei er den Jazz durchaus zum ernsten Genre zählt, münzt der begabte Graphiker dieses Auswahlkriterium ebenso auf das diverse Metier der Malerei, in der das geheimnisvolle Lächeln der Mona Lisa in keinster Weise mit dem frechen Grinsen der Micky Maus sympathisiert.

Es berührt mich, wie der persiflierende Karikaturist mit humorvollen Worten eine Laudatio auf das 80. Wiegenfest seines ehemaligen Kunstschullehrers Willem Grimm hält. Eine Pointe jagt die nächste, als ihm der Ehrenpreis des Deutschen Filmpreises im Jahr 2000 kredenzt wird: Andererseits kann sich ein zeitgemäßer Mensch nur noch schwer auf eine Sendung ohne Werbung konzentrieren, immerhin wird er anderthalb Stunden alleingelassen mit dem drängenden Problem: „Welche Nudeln sind die besten?“ Legendär sind seine smarten Aphorismen, die er auch nicht scheut, in seiner Ansprache an die Jugend anlässlich der Verleihung des Literaturpreises der Stadt Weilheim kundzutun: Vielleicht seid ihr dann die erste kluge Generation, die den wirklichen Fortschritt darin erkennt, nicht alles zu tun, was machbar ist.

Aber wer steckt hinter dem Pseudonym, welcher Persiflagenpinsel strichlierte mit Kohlestift, Tusche und unwiderstehlichem Esprit auserlesene Maskottchen wie Wum, einen Zeichentrickhund, für die ZDF Sendung Aktion Sorgenkind?

Das französische Wort Loriot findet sich in Form eines Pirols im Wappen des Adelsspross‘ Vicco von Bülow. Der Sohn eines Polizeioffiziers erblickt 1923 in Brandenburg an der Havel das Licht der Welt und nach einem für ihn beschämenden Intermezzo als Oberstleutnant im Zweiten Weltkrieg studiert er Grafik sowie Malerei und startet 1950 als Cartoonist bei renommierten Zeitungen durch. Doch schon bald wird seine überspitzte Cartoonserie Auf den Hund gekommen beim Stern die Rezipienten verärgern und so kreiert er 1954 eine neue: Reinhold das Nashorn. Es folgen Bücher, Fernsehmoderationen, Filmauftritte, Operninszenierungen sowie seine eigenen unterhaltsamen Movies wie Ödipussi oder Pappa ante portas, wobei er sich mit der kongenialen Schauspielerin Evelyn Hamann perfekt ergänzt.

Und kein Auge bleibt trocken, wenn Loriot Kollege Paul Flora zum 70. Wiegenfeste als bewundertes Produkt von Faun und Elfe gratuliert oder wenn er lapidar den Unterschied zwischen bildenden Künstlern und Karikaturisten feststellt: Maler schneiden sich gelegentliche ein Ohr ab. Karikaturisten nicht.

Im Kapitel Kleiner Opernführer gelingt es dem Autor sogar, Gegner des großen Musiktheaters mit schelmischer Verve zu begeistern und in Gereimtes und Ungereimtes werden wir belehrt: Ein Leben ohne Möpse ist möglich, aber sinnlos.

© Silvia Peiker 2023-10-15

Genres
Romane & Erzählungen, Humor& Satire
Stimmung
Komisch, Reflektierend
Hashtags