von Klaus Schedler
Sophie hatte ihren Papa gefragt, ob es noch Drachen gäbe und der hatte gemeint, dass die schon längst ausgestorben sind. Sophie wusste nicht so recht, ob sie sich darüber freuen oder traurig sein sollte. Gemeinsam mit ihrer Kabouterin dachte sie darüber nach.
„Also, hier in meiner Gedankenwelt kenne ich einen“ meinte die Kabouterin „Er heißt Paff der Zauberdrache und er war riesengroß.“ „Wie groß?“ wolle Sophie wissen. „So groß, wie unser Haus“ antwortete die Kabouterin. „Und er tummelt sich in seiner fremdartigen Nebelwelt im Land Hohnalie. Dort wurde er früher oft von seinem Freund Peter besucht. Peter war damals ungefähr so alt wie du und gemeinsam sind sie dann auf Abenteuersuche gegangen. Paff lebt normalerweise am Land, doch kann er auch schwimmen und sogar fliegen. Wenn die beiden auf dem großen Meer unterwegs waren, haben sie bisweilen die Matrosen auf den Schiffen erschreckt, wenn Paff aus dem Nebel erschien und geheimnisvoll wieder verschwand. Ja sogar die grimmigsten Seeräuber hatten sich vor ihnen gefürchtet, obwohl Paff niemals jemanden etwas zuleide getan hatte. Überall, bei vornehmen Königen, Prinzessinnen und Staatspräsidenten wurden sie empfangen und sahen so fast die ganze Welt. Sie sahen hohe Berge, Wüsten, den Dschungel, den Nordpol und den Südpol und vieles mehr.“
„Toll“ sagte Sophie „und gibt es diesen Paff immer noch?“ „Ja freilich, denn so ein Drache lebt immer und ewig.“ „Warum hört man dann nichts von ihm?“ „Das ist so“ fuhr die Kabouterin fort „So ein Drache ist nur solange mächtig und stark, solange der Mensch, für den er da ist, an ihn glaubt. Solange Peter klein war, hatte er an Paff geglaubt und die beiden waren dicke Freunde. Und weil sie so dicke Freunde waren, war Paff auch riesengroß, mächtig und stark. Dann aber wurde Peter größer und älter und begann, sich mit anderen Dinge zu beschäftigen. Und so wurde Paff immer kleiner und irgendwann hatte Peter ihn vermutlich sogar vergessen.“
Sophie dachte nach. Sie hätte auch gern so einen Drachen, wie ihn dieser Peter gehabt hatte. Was könnte man da alles unternehmen und welche Abenteuer würden in der großen weiten Welt auf sie warten. „Was meinst du, Kabouterin, ob der Peter was dagegen hätte, wenn wir uns seinen Paff einmal ausleihen?“ „Also der Peter hat seinen Paff bestimmt längst vergessen. Und der Paff, der wartet jetzt nur darauf, dass wieder ein Kind an ihn glaubt. Wie wär’s mit dir Sophie? Hast du Lust, an Paff den Zauberdrachen zu glauben?“
Als Sophie am Nachmittag von ihrer Oma vom Kindergarten abgeholt wurde, wollte sie mehr über diese ausgedachte Zauberdrachen wissen. Die Oma kannte tatsächlich solche Drachen, ja sie kannte sogar ein Lied über Paff, das ihr selbst als Kind gut gefallen hatte. Es war auf Englisch und war vor vielen Jahren von drei jungen Leuten aus Amerika gesungen worden. Offenbar hätten damals viel mehr Leute gern so einen Zauberdrachen gehabt als heute. Dabei brauchten wir doch gerade jetzt ganz viele Zauberdrachen, oder?
© Klaus Schedler 2019-11-28