von MonaLena
Erst wollte ich eine Ergotherapeutin werden. Bei der Aufnahmeprüfung schied ich jedoch in der zweiten Runde aus.
Ich hatte keine Ahnung, was ich falsch gemacht hatte, aber offensichtlich stellte ich mich beim Physio-Auswahl-Spektakel geschickter an:
Bei einem klassischen Dropout-Testverfahren rang ich mit hundert anderen Menschen in einem Raum, in dem wir möglichst viele unsinnige Fragen in möglichst kurzer Zeit beantworten mussten, um einen der heiß begehrten und streng limitierten Ausbildungsplätze. Nach endlosen Kreuzchen zu vermutlich falschen Antworten, war ich mir ganz sicher raus zu sein, kam aber überraschenderweise in die zweite Runde.
Ich hatte keine Ahnung, was ich richtig gemacht hatte, aber die Glückssträhne hielt an.
Die praktischen Tests waren seltsam bizarr: Ein verworrenes Puzzleteil unter einem Tuch ertasten und erraten, mit welchem der fünf Teile es ident war, die offen vor mir lagen. Eine verdrehte Position stehend einnehmen, die eine andere Person auf einer Matte liegend vorzeigte. Einen Ball aufprallen lassen, fangen, unter dem Bein durch werfen und einander zuspielen. Einen Mann motivieren aufzustehen, der in einem kleinen Zimmer einen Patienten im Krankenbett spielte. „Guten Tag! Ich bin ihre Therapeutin! Bitte stehen Sie auf!“, schüttelte ich ihm freundlich lächelnd die Hand und er verließ prompt das Bett.
Bestanden! Inklusive dem nachfolgendem Gespräch, bei dem ich mit meinen Erfahrungen aus einem selbst auferlegten Praktikum, bei einer befreundeten Therapeutin, auftrumpfen konnte. Nun wollte ich also eine Physiotherapeutin werden, und durfte das auch!
Gleich in der ersten Woche musste ich mich an harte Arbeit und viel lesen gewöhnen. Darüber hinaus lernte ich mich rasch auszuziehen, denn wir übten alles Nötige aneinander. Noch nie hatten mich so viele fremde Menschen in so kurzer Zeit halbnackt gesehen, geschweige denn mich an allen möglichen Körperstellen berührt, massiert, gedrückt, analysiert, begutachtet, getestet, ausgemessen, bemalt, unter Strom gesetzt und kritisiert, wie in den ersten Monaten dieser Ausbildung.
Drei Jahre sollte das so weiter gehen und wir waren schnell Meister im „aus der Wäsche hüpfen und einander professionell anfassen“. Ich massierte Gesichter, lymphte Brüste, betastete intime Knochenvorsprünge, drückte Rippen und Bäuche, mobilisierte allerlei große und winzige Gelenke, Dehnte empfindliche Haut, ließ Knacken, Rollen und Zucken und alles ganz wissenschaftlich. Auch Schauspieltalent gehörte dazu: Ich spielte eine Leblose, halb- und ganzseitig Gelähmte, ein Baby in den ersten Monaten, Rollstuhlpflichtige und hinkende Alte, Verletzte, schwer Operierte sowie Beckenbodenschwache, Atemwegserkrankte und Schwangere. Die Ausbildung war ein Hit!
Neben den vielen Stunden Frontalunterricht liebte ich die vielfältigen praktischen Einheiten am Meisten, mit ihrem enormen Potential an Möglichkeiten für dumme Witze.
© MonaLena 2020-02-17