Pippi Langstrumpf wird erwachsen

Johanna Mader

von Johanna Mader

Story

Außerhalb der kleinen, kleinen Stadt lag ein alter, verwahrloster Garten. In dem Garten stand ein altes Haus, und in dem Haus wohnte immer noch Pippi Langstrumpf. Sie war neunundzwanzig Jahre alt, und sie wohnte ganz alleine da. Sie hatte keinen Mann oder Kinder und manchmal fühlte sie sich deshalb ein wenig einsam, wenn auch nicht allzu oft. Gerade saß sie in der Küche und rollte eine Erbse zwischen den Fingern. Sie seufzte. „Liebe kleine Krummelnus, niemals will ich werden Gruß. Genau so haben wir es gesagt, Frau Nilson.“ Der kleine Affe legte den Kopf schief. Er sah Herr Nilson, der vergangenen Jahres gestorben war, zum Verwechseln ähnlich. „Sie hat nicht gewirkt damals. Sie war wohl schon zu lange im Schrank. Jetzt sind wir groß und alt und haben keine Fantasie mehr. Zumindest Thomas und Anika nicht.“ Sie seufzte erneut und legte die Erbse zurück in die Dose. Thomas war bereits weggezogen und hatte geheiratet. Zwar war er nur weiter in der Stadt, aber manchmal kam es Pippi wie ein ganzes Land vor, das sie trennte. Anika lebt immer noch im Nachbarhaus, jedoch hatte sie sich in den Kopf gesetzt Mathematik zu studieren und hatte nur noch Augen für Plutimikation. Selbst die netten Wachleute hatten es aufgegeben, sie in ein Heim für Kinder bringen zu wollen. Wenn sie sich auf der Straße begegneten zogen sie den Hut und nannten sie Fräulein oder junge Dame. So ein Unsinn. Wenn man es genau nahm, gab es nichts mehr was sie hier hielt, sie könnte genauso gut in See stechen und zu ihrem Vater segeln. Doch die zwanzig Jahre, die sie jetzt schon hier lebte hatten sie verändert und der Wunsch Seeräuber zu werden war fast verflogen. Pippi hatte all die Jahre keinen anderen Beruf gelernt und so saß sie Tag für Tag in der Villa Kunterbunt und dachte nach, was sie tun sollte. In einem heftigen Streit mit Thomas hatte er gesagt, sie solle doch endlich einmal erwachsen werden und sich einen Beruf suchen. Sie hätte einen Beruf, hatte sie geantwortet. Sie sei Sachensucherin und Seeräuber und überhaupt, solle er doch wieder Kind werden. Er war wütend gegangen und sie sprachen nie wieder über dieses Gespräch, bei den wenigen Worten, die sie wechselten. Ihre Gespräche verliefen immer gleich: “ Oh, Hallo Pippi, schon lange nicht mehr gesehen! Wie geht es dir?“ „Hallo Thomas, schön dich zu treffen. Mir geht es gut und dir?“ „Auch sehr gut.“ Und dann machten sich beide wieder schnell aus dem Staub, obwohl sie sich noch so viel mehr zu sagen gehabt hätten. Mit Anika redete Pippi mehr, vor allem seitdem sich Anika eingeredet hatte Pippi einen Beruf zu suchen. Die Türglocke riss Pippi aus ihren Gedanken. Die Person trat, ohne auf eine Antwort zu warten, ein. „Hallo Pippi!“ Anika kam begeistert strahlend herein. „Ich habe endlich einen Beruf für dich gefunden, und ich habe dich sofort für das Bewerbungsgespräch angemeldet. Das wird sooo toll, glaub mir.“ Ihre Augen leuchteten und sie steckte Pippi sofort mit ihrer guten Laune an. „Was für einer?“ Anika hüpfte wie ein kleines Kind auf der Stelle. „Frau Nilson, bitte Trommelwirbel!“ Frau Nilson schlug zwei Topfdeckel zusammen. „Du wirst Kindergärtnerin!“


© Johanna Mader 2023-10-30

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Komisch