von Irene Gramal
Ira, blond und über 50, lebte schon vierzehn Jahre glücklich mit Sascha, einem langjährigen Taxiunternehmer im selben Alter. Sie arbeitete wie jeden Tag am Infopoint eines Einkaufszentrums südlich von Graz. Sascha holte sie nach der Arbeit regelmäßig ab und sie fuhren gemeinsam nach Hause.
Doch an jenem Sommertag, drei Tage nach seinem Geburtstag im August, war Sascha anscheinend verspätet. Ira wartete geduldig, vielleicht kam etwas dazwischen. Als Sascha nach mehr als einer halben Stunde noch immer nicht da war, rief sie ihn an. Er nahm den Anruf nicht entgegen. Ira wurde es langsam mulmig zumute, konnte sie sich doch bisher immer auf ihn verlassen. Sie rief einen Nachbarn an, um nachzufragen, ob denn Saschas Auto eventuell vor Ort sei und ob er ihn erreichen könne. Doch Fehlanzeige, sein Wagen war nicht da und auch er konnte keinerlei Kontakt zu ihm herstellen. Peter, der Nachbar, holte Ira ab und brachte sie nach Hause.
Ira betrat unter Herzklopfen das Haus. Sascha war nicht da, nur Bruno, der Hund. Es fehlte Decke und Polster aus dem Schlafzimmer, sämtliche Bekleidung aus seinem Kasten und auch das Picknick-Geschirr. Sie verstand die Welt nicht mehr. Sie setzte sich benommen ins Wohnzimmer, um sich bei einem Kaffee und einer Zigarette von dem Schock zu erholen. Doch da fand sie eine Schachtel mit Silbermünzen, Schmuck und einen Zettel. Darauf stand geschrieben: „Mein lieber Schatz, ich bin finanziell pleite, will mir noch die Welt anschauen. Nimm bitte, was noch da ist und verkaufe es. Du hast ein besseres Leben verdient. Ich liebe Dich, Sascha.“
In diesem Moment fühlte Ira den Boden unter den Füßen zu verlieren. Sie konnte es nicht glauben, was sie da las. Was war passiert? Das ist nicht Saschas Art. Hatte er ihr doch in all den Jahren jeden Wunsch von den Augen abgelesen und sein ganzes Leben nach ihr ausgerichtet. Es gab nie wirklich Streit, sie waren zusammen einfach nur glücklich und das schon so lange Zeit. Und nun lag Iras Welt in Scherben, von einem Moment zum anderen ohne Vorahnung, ohne irgendetwas, einfach so. Ira sah Saschas Telefon auf dem Wohnzimmertisch, er war also nicht erreichbar. Sie machte sich unsagbare Sorgen, denn sie verstand das alles nicht mehr. Sie weinte schmerzvolle Tränen, sie war einfach gebrochen. Ihr Ein und Alles, ihr Partner, ihr Fels in der Brandung, es gab ihn einfach nicht mehr und sie hatte ein schreckliches Gefühl.
Sie nahm den Zettel und ging tränenüberströmt zum anderen Nachbarn, ein Polizist. Als er die Nachricht las, meinte er nur, die Polizei könne da nichts tun, denn dieses Schreiben weist nicht direkt auf Suizid hin. Sie torkelte hilflos zurück in Saschas Haus, da läutete plötzlich sein Telefon. Ira hob ab und hörte Saschas Stimme. Er meinte unter Tränen: „Bitte, ich möchte wieder nach Hause kommen und dir alles erklären, denn das hast du nicht verdient.“ Ira wartete geduldig und erleichtert auf seine Rückkehr aus Wien, über drei Stunden. Was dann geschah, ist eine andere Geschichte!
© Irene Gramal 2021-07-24