von NeleChryselius
Du warst schon wieder auf dem Weg nach Deutschland, als ich bei meiner Schulfreundin in Portugal ankam. Genau wie ein Jahr zuvor, als ich Andrea das erste Mal besuchte. Wir hatten unser Kennenlernen zum zweiten Mal verpasst.
Andrea genoss das südländische Leben, feierte ausgiebig und machte gern Schnappschüsse, wenn sie Gäste hatte. Ein Fries aus Polaroids zierte ihr Esszimmer – Lebensfreude pur sprang mir entgegen, als ich die Bilder anschaute. Ein Foto von dir hing direkt neben dem Foto von mir. Netter Typ, dachte ich und erfuhr, dass im wahren Leben rund 400 km zwischen uns lagen, dein Wohnort war München, meiner Freiburg.
Ob wir uns ineinander verliebt hätten, wenn wir uns damals begegnet wären? Mehr als ein Flirt, eine Urlaubsaffäre hätte es nicht werden können. Ich war nicht frei – meine zwei Reisen waren Fluchtversuche aus einer anderen Beziehung.
Drei Jahre später.
Wieder war es Andrea, (die mit den Polaroids) die uns zusammenbrachte, dieses Mal in Echtzeit. Ich war nach Hamburg umgezogen, hatte die komplizierte Beziehung beendet und war mit mir im Gleichgewicht. Andrea war gerade aus Portugal zurückgekehrt, lebte erstmal bei ihren Eltern am Starnberger See. Ich hatte einen beruflichen Termin in München und lud sie ein, mit mir im Hotel zu übernachten. Abends zogen wir um die Häuser, wie in alten Zeiten. Am letzten Abend fragte Andrea, ob ich Lust hätte, ein paar Leute zu treffen, die sie aus ihrer Portugal-Zeit kannte. Klar, warum nicht! Den sympathisch lächelnden Typen vom Polaroid hatte ich längst vergessen. Andrea und ich waren als erste in der Pizzeria, in der wir uns verabredet hatten. Die drei Jungs kamen herein. Der Schwarzhaarige gefiel mir sofort. Er hatte ein so strahlendes, warmes Lächeln, das mir irgendwie bekannt vorkam.
Klick!
Das war nicht Andreas Polaroid-Kamera. Mein Herz hatte binnen Sekunden ein Signal geschickt. Und deines wohl ebenso. Du hast Klaus zur Seite geschoben und zielsicher den Platz neben mir angesteuert. Sofort waren wir ins Gespräch vertieft. Worüber? Ich kann mich nicht erinnern. Du hättest über dein Mathestudium (nicht mein Ding), deine Bundeswehrzeit (noch viel weniger mein Ding) oder dein Mayonnaiserezept (naja) sprechen können, es war völlig egal. Ich war mit meinem klopfenden Herzen beschäftigt, mir war schwindelig, ich war verwirrt.
Was passierte hier gerade?!
Die anderen beiden Jungs verabschiedeten sich, nachdem wir das Lokal verlassen hatten, du begleitetest uns zum Hotel. Vor der Tür ein zaghaftes Küsschen. Adieu! Das war’s? Am nächsten Tag fuhr ich zurück nach Hamburg. Abends rief ich Andrea an. “Hast du’zufällig‘ was von Leo gehört?” “Ja, er hat sich für den schönen Abend bedankt”, sagte sie. “Sonst nichts?” „Nö”, war die knappe Antwort. Drei Tage passierte nichts. Hatte ich mich getäuscht?
Dann klingelte mein Telefon. Noch heute, 35 Jahre später, Gänsehautgefühl, wenn ich an deine Worte denke: “Ich komme um 23:56 in Hamburg-Altona an. Kannst du mich abholen?”
© NeleChryselius 2021-02-14