von Christine Kämmer
Die Zimmerwände zuckerlrosa, die Bettwäsche babyrosa, mein zwölfjähriges Ich kannte nur eine Lieblingsfarbe. Und dann kam mein dreizehnter Geburtstag. Noch vor dem Frühstück riss ich Omas Päckchen auf: ein Wollpullover in Neonpink, selbstgestrickt aus kuschelweicher Mohairwolle. Der passte wunderbar zu der dunkelrosa Cordhose, die ich beim Einkaufsbummel mit Mama ausgesucht hatte. Ich schlüpfte in die neuen Kleidungsstücke und band mir die Haare mit einem flamingorosa Zopfgummi zusammen. Schnell noch ein Stück Geburtstagskuchen und eine Tasse Kakao, und dann ab in die Schule. Meine schweinchenrosa Schultasche war schon gepackt.
„Willst du wirklich so losgehen?“, fragte Mama.
„Wieso?“
„Ich meine nur… vielleicht könntest zu dem Pullover eine Jeans tragen. Oder hattest du nicht irgendwo ein weißes T-Shirt? Das würde gut zur neuen Hose passen.“
Ich stellte mich stur.
„Es soll übrigens sehr warm werden heute“, sagte sie. Doch wer würde sich mit einem Geburtstagskind streiten?
Der Pullover war flauschig, die Hose samtig. Die Farbtöne harmonierten. So und nicht anders wollte ich zur Schule gehen.
Ich fühlte mich schön und unbesiegbar, und so kam mir die Idee. An diesem Tag würde ich es wagen. Ich würde nicht wie ein braves Mädchen vorn durch das Schultor gehen, sondern eine Abkürzung nehmen. Quer durch die Raucherecke, vorbei an den coolen Jungs mit ihren Zigaretten. Ich ignorierte die Schweißperlen auf meiner Stirn. Mit erhobenem Kopf und geradem Rücken schritt ich auf die Rauchergruppe zu. Wie ein Model auf dem Laufsteg. Wie ein Gladiator auf dem Weg in den Ring.
Ich ging direkt auf unseren Schulpunk zu. Clash. Grüne Haare, schwarze Kleidung, Springerstiefel. Clash nahm einen tiefen Zug von seiner Selbstgedrehten. Er musterte mich von oben bis unten, grinste breit und sagte:
„Na, du Bonbon?“
© Christine Kämmer 2021-01-12