von Sabine Steinhoff
Eigentlich hatte Bauer Karl im Herbst ein Schwein auf dem Markt gekauft, damit er es bis Weihnachten dick und rund füttern konnte. Aber irgendwie gelang ihm das nicht so recht, denn Schweinchen war sehr sportlich, aß recht wenig und entwischte immer wieder durch Lücken im Zaun, um dann quer durch das Dorf unweit vom Zauberwald zu laufen. Dabei war es sehr hübsch, ganz rosig mit einem lustig schwarzen Fleck ums linke Auge und einem schwarzen Ohr auf der Rechten. Irgendwann hatte Bauer Karl sein Schweinchen so liebgewonnen, dass er es von der Weihnachtsmenükarte strich, mit ins Haus nahm und ihm den schönen Namen Putzi gab.
Allmählich neigte sich der Herbst dem Ende zu. Ich war gerade damit beschäftigt, einige Sachen für den Winter vorzubereiten, so wollte ich meinen fliegenden Teppich Flor einmal sanft striegeln, um ihn vor dem Einmotten zu entstauben, denn ab dem ersten Advent kam der richtig dicke Winter in den Zauberwald und dann wurde es zu gefährlich, mit Flor zu fliegen. Dabei darf man ihn auf keinen Fall saugen oder ausklopfen, denn dann werden fliegende Teppiche richtig böse. Flor durfte noch ein letztes Mal im Garten herumflitzen, danach wollte ich ihn fertig machen und am Abend einlagern. Ich musste kichern, denn es war ein bisschen so, als hätte ich eine Schildkröte.
Als ich Flor im Garten los ließ, sauste er erstmal wie ein wilder um das Hexenhäuschen herum. Er buckelte und bockelte wie ein junges Pferd und man sah ihm seine dreihundert Jahre gar nicht an. Dann beruhigte er sich und weil die goldene Herbstsonne ihn so schön wärmte, legte er sich ein wenig in den Garten unter meinen alten Birnenbaum, um so ein letztes Mittagschläfchen abzuhalten. Ich ging eben ins Haus, um mir einen Krötengrütztee zu kochen, ein paar Kekse für mich und Mais für Filou zusammenzustellen. Als ich mit meinem bepackten Tablett wieder in den Garten kam, hörte ich ein eigenartiges Geräusch. Es war definitiv Filou, jedoch rief er nichts Verständliches und seine Stimme entfernte sich scheinbar rasch. Als ich eilends ums Haus geflitzt war, sah ich Filou mit dem Schnabel an den Fransen von Flor hängen. Mein fliegender Teppich lag aber nicht mehr unter dem Birnenbaum, sondern er war losgeflogen und erreichte bereits den Zauberwald. Irgendetwas großes, rosiges stand auf Flor. Die Geschwindigkeit meines Teppichs konnte nur eins bedeuten, nämlich, dass irgendwer mit einem großen Wunsch auf ihm stand, denn nur dann hatte Flor ein solches Tempo. Wenn sich nämlich jemand mit einem großen Reisewunsch auf einen fliegenden Teppich begibt, dann fliegt dieser in Windeseile dorthin. Ich war mir nicht hundertprozentig sicher, meinte aber Putzi auf ihm erkannt zu haben. Und mein armer Filou hing in der Luft an ihm dran. Er hatte bestimmt versucht, die beiden aufzuhalten, aber einmal mit Wunschkraft abgehoben, kann man Flor nicht mehr so leicht aufhalten. Das dumme war, runterhexen konnte ich ihn bei einem Wunschflug auch nicht, denn das war ja bereits Hexerei.
© Sabine Steinhoff 2021-10-08