Rauhnacht

Heidemarie Leitner

von Heidemarie Leitner

Story

„Pass auf, heid is Rauhnocht. Host eh ois sche putzt?“ Diese Worte haben sich tief in meinem Gedächtnis verankert. Es ist mehr als Brauchtum, es sind alte Kindheitserinnerungen, die meist in der Gestalt meiner Oma alle Jahre in der Thomasnacht wieder in meinen Kopf auftauchen. Als Kind hatte ich mich überhaupt nicht davor fürchten müssen, dass das „Hudawachei“, so der Name von Frau Percht, kommen würde. Sie ist es ja, die vor Weihnachten nach dem Rechten sieht und wehe, wenn sie in der Wohnung noch Schmutz finden würde, so wäre es um die Hausfrau schlecht bestellt, denn dann würde ihr Frau Percht mit der großen Schere den Bauch aufschneiden und ihr den ganzen Dreck hinein schaufeln.

Meine Mama hat sich ja exakt an diese Regeln gehalten und spätestens am Vormittag der Thomasnacht am 21. Dezember fand sich bei uns bestimmt nicht das geringste Körnchen Staub in der Wohnung. Dafür roch es aber ganz intensiv nach Weihrauch, Pontifikal Weihrauch, den es sonst nur noch zu Weihnachten gab.

Weitere wichtige Regeln mussten auch noch befolgt werden. Es durfte keine Wäsche an der Leine hängen, schon gar kein Leintuch, den dieses wurde bestimmt im kommenden Jahr zum Leichentuch eines Familienmitgliedes. Auch das Kartenspielen war strengstens untersagt. In diesem Spiel konnte sich, nach Aussage meiner Oma, der Teufel leicht ins Haus spielen und Unheil über die Familie bringen. Aber es ist auch der Tag, wo es am Abend die guten Rauhnachtnudeln gibt. Eine Germspeise, die wir mit warmen Vanillepudding essen, in der Nachbarschaft werden sie auch mit Sauerkraut gereicht.

In der Kindheit meiner Mama hatte die Rauhnacht noch etwas Furcht erregendes. Sie wohnte direkt am Wald in einem Haus ausserhalb der Halleiner Stadtmauern und das Licht kam von einer kleinen Petroleumlampe und dem Feuer im Ofen. Unterhaltungsmedien gab es auch keine und meine Oma sass mit ihren Kindern deshalb Abends um den kleinen Ofen und erzählte die wildesten Geschichten, die bei uns in Salzburg viel von Perchten, der wilden Jagd um den Untersberg und selbstverständlich vom Kampf zwischen Gut und Böse handelten.

Auch ich kam noch in den Genuss dieser schaurig schönen Geschichten meiner Oma. Wenn wir dann am späten Abend nach Hause gingen, klammerte ich mich doch gerne an meinen Papa und bei jedem kleinen Windstoß schaute ich im feinen Mondlicht, ob nicht doch Spuren im Schnee vom 13. Mann (dem Teufel) zu sehen sind.

Die schaurigen Zeiten ohne Licht sind Vergangenheit, aber es würde mir nicht in den Sinn kommen, an diesem Tag Wäsche zu waschen oder gar aufzuhängen. Wenn ich es einrichten kann, gehe ich an diesem Abend auch nicht aus und die Rauhnachtnudeln für die Familie gibt es auch. Mittlerweile sind auch meine Enkelkinder stets darauf bedacht, dass das Kinderzimmer in der Thomasnacht ordentlich aufgeräumt ist. Nicht auszudenken, wenn das „Hudawachei“ vorbeikommt und ihre Arbeit macht, wie ihr es aufgetragen ist seit ewiger Zeit!

© Heidemarie Leitner 2019-12-21

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