von Gunny Catell
Gab es jemals so etwas wie den schönsten Traumurlaub meines Lebens, dann waren es die 5 Tage im Dschungel am Rio Negro im Amazonas. Doch davor erlebte ich noch heiße Rhythmen und schrille Kostüme im Sambódromo von São Paulo und in Búzios und Rio. 2003 herrschte Ausnahmezustand, denn es war zum ersten Militäreinsatz überhaupt im Karneval gekommen, aus Angst vor Anschlägen der Drogen-Mafia. Bei den Paraden in Rio war ich aus Sicherheitsgründen nur mit einer Unterhose bekleidet – denn alles andere wäre mir geklaut worden. Mein tollstes Erlebnis war ein Helikopterflug vom Zuckerhut hinweg direkt über die Christusstatue und die Strände von Rio.
Vom Trubel erschöpft schlief ich danach 24 Stunden in meinem Hotelzimmer in Manaus, bevor ich mit einem alten Amazonasdampfer zur kleinen Lodge hoch oben am moskitofreien Rio Negro aufbrach. Ich kam mir dabei wie Klaus Kinski in Fitzcarraldo vor und wollte an der Spitze des Dampfers den Urwald erobern. Mich empfing eine einfache Hütte auf Stelzen, um mich vor gefährlichen Reptilien und Schlangen zu schützen.
Am ersten Morgen paddelten wir durch eine bizarre Flusslandschaft und beobachteten unzählige Vögel auf den Bäumen. In abgelegenen Nebenarmen entdeckten wir rosa Delfine, lauschten den Geräuschen des Urwaldes und erlebten eine völlig andere Welt. Was gab es Aufregenderes und zugleich sanfteres, als den Stimmen exotischer Vögel in ihrer ursprünglichen Welt zuzuhören und gleichzeitig vom Knacken der Äste zu erschrecken, wenn das Kanu versuchte, lautlos zu gleiten, um unsichtbare wilde Tiere zu überraschen. Dieses stundenlange Pirschen durch Unbekanntes hatte einen einzigartigen Reiz. Man musste nur aufpassen, den Weg nicht zu verlassen, den unser Guide vorgab, denn es konnte überall Gefahr lauern. Das hatte nichts von einem lächerlichen Dschungelcamp im TV, sondern man erlebte sich und die Welt wirklich magisch, so wie im Film Avatar. Hier konnte ich die Empfindungen der Indigenen nachvollziehen, ihre Harmonie mit der Natur und woher sie ihren Spirit bezogen.
In der Nacht gingen wir mit dem Kanu auf Kaiman Jagd und waren begeistert, wenn unser Guide einen jungen Alligator fing und wir dessen kühle glitschige Lederhaut streicheln konnten, bevor er ihn wieder freiließ. Tagsüber lag ich in der Sonne, immer wieder von tropischen Regenfällen überrascht, und genoss das Leben eines Dschungelkönigs. Ich schwamm auch im Amazonas, in der Furcht vor Piranha-Angriffen, wobei mir aber versichert wurde, dass dies um unsere Lodge herum nicht geschehen würde.
Eines Nachts hörte ich in meiner Kabine ein Geräusch. Als ich hochsah, saß da an der Wand ein Skorpion. Aber er bewegte sich nicht und ich schlief weiter. Am Morgen stieg ich auf eine Aussichtsplattform und blickte auf den grandiosen Urwald unter mir.
Bei der Rückfahrt auf dem Dampfer in der Hängematte liegend, dachte ich mir, niemals darf dieser Urwald und sein reiches Ökosystem zerstört werden – hier ist noch das wahre Leben!
© Gunny Catell 2021-03-05