Same time, next year

Silvia Peiker

von Silvia Peiker

Story

Können Beziehungen, deren Flammen lediglich einmal pro Jahr Funken schlagen, funktionieren? Und wenn dies eine sogenannte Fou d’amour zwischen Mann und Frau ist, kann diese die Jahre überdauern? Wie gut kann der Mann die Frau und die Geliebte den Geliebten kennen, am Seelenleben, an den Sehnsüchten und Sorgen des anderen teilhaben? Kann man mehr als einer Person in Liebe zugetan sein?
Zum wiederholten Mal beweist das Vienna English Theatre, indem es diese romantische Komödie aus der dramaturgischen Skriptkiste zaubert, dass lediglich zwei Schauspieler ausreichen, um das Publikum im gut gefüllten Saal mit flottem Wortwitz bestens zu unterhalten.
Die um spirituelle Erleuchtung bemühte Hausfrau und Mutter Doris und der auf der Karriereleiter aufstrebende Buchhalter George sind glücklich verheiratet, jedoch nicht miteinander. Die Zufallsbegegnung im Hotel und das darauf folgende leidenschaftliche, nächtliche Bettgeflüster entwickeln sich zu einer ungewöhnlichen Affäre, die die Jahrzehnte überdauert. Bei ihren einjährigen Treffen im selben Hotelzimmer zur selben Uhrzeit und am selben Tag in den folgenden Jahren bleibt ihre tiefe Zuneigung zueinander ungebrochen. Während sie die Kissen durchwühlen, erzählen sie einander von ihrem Nachwuchs, ihren beruflichen Plänen und teilen Geheimnisse aus ihrem Eheleben. Selbst Doris Platzen der Fruchtblase bei ihrer jährlichen Zusammenkunft, als sie ihr viertes Kind von ihrem Ehemann erwartet, kann George nicht davon abhalten, als konfuser Geburtshelfer zu fungieren und seine Liebschaft im gewohnten jährlichen Rhythmus wiederzusehen.

Der Autor Bernard Slade geizt nicht mit Situationskomik, wobei die ernste Auseinandersetzung mit der ungewöhnlichen Liaison nicht zu kurz kommt. Der Jahresreigen lässt sich an Frisuren, Kleidung und musikalischen Ohrwürmern erkennen. Petticoats und seriöse Anzüge werden gegen Flower Power-Klamotten getauscht, Haare ergrauen und Doris mausert sich nach einem Intermezzo als demonstrierender Hippie in der vom Vietnamkrieg gebeutelten USA letztendlich zur Karrierefrau. Das Leben und die Zeit hinterlassen ihre sichtbaren Spuren, sowohl in deren physischer Erscheinung als auch in deren persönlichem Wachstum.

Lediglich ihre Liebe, die sie füreinander ein Vierteljahrhundert empfinden, bleibt ungebrochen, wenn der Neo-Witwer George, gereift an Jahren und gestützt auf seinen Gehstock, seine Doris, die ungewohnt straight im Businesslook erscheint, zur same time, next year im gewohnten Ambiente des hotel rooms in die Arme schließt.

„Great theatre is about asking questions not necessarily providing a neat answer.“ (Adrian Ferguson, director)

Eigenes Foto

© Silvia Peiker 2024-09-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Emotional, Komisch
Hashtags
Theater