Schafe ohne Locken

Aroundtheworld

von Aroundtheworld

Story

Wer schon einmal die Schafe auf den Deichen gesehen hat, hat sicher auch gesehen, wie dick und gelockt ihr Fell ist. Bei uns heißt es so gern: Es ist erst Wind, wenn das Schaf keine Locken mehr hat.

Was soll ich sagen? Erst kam direkt nach dem Sommer der Winter, dann wieder Sommer und nun herbstliche Stürme, die den Schafen die Locken aus der Wolle pusten, falls sich die Schafe überhaupt auf dem Deich festhalten können.

Während ich die kleine Brücke zur Schlossinsel überquerte, auf der sich das geschichtlich sehr bedeutende Schloss Gottorf befindet, hatte ich Mühe, nicht von dem Wind vom Gehweg, wenn man es so nennen möchte, auf die Straße gedrückt zu werden.

Dort, wo sich sonst Möwen und Enten tummeln, schien auch das Wasser gegen den Wind zu kämpfen, um an Ort und Stelle zu bleiben. Kleine Wellen tanzten auf dem Burgsee, der mit dem Möwenweg und dieser wiederum mit der Schlei, die in die Ostsee mündet, verbunden ist. Keine Enten, Möwen oder Schwäne schienen sich auf das Wasser zu trauen.

Dort, wo noch vor wenigen Wochen die schwarzen Schwäne und pusseligen gelben Enten mit Vergnügen tollten und von ihren Eltern lernten, erscheint es nun so, als würde das Wasser, das in der beginnenden Abenddämmerung schon mehr schwarz als blau schimmerte, von niemandem bewohnt zu sein.

Das Laub, das erst vor wenigen Wochen angefangen hatte, sich bunt zu färben und von den Bäumen fiel, flog mit einer Geschwindigkeit an mir vorbei, dass ich nicht einmal erkennen konnte, von welchem Baum die Blätter eigentlich waren. Der Herbst war zwischen Sommer und Winter im letzten Jahr ausgefallen. Von ca. 30 Grad kühlten die Temperaturen in einer Woche schon auf den Gefrierpunkt ab und eine weitere Woche gab es Frost und Schnee, wie es zu Weihnachten wünschenswert war. Doch schon an Weihnachten war der Schnee vorbei und die Temperaturen kletterten wieder über 15 Grad und nun schien es so, als würde der Herbst einziehen: Regen und Sturm mit buntem Laub, dafür begannen zu Weihnachten schon die Schneeglöckchen zu wachsen und den Frühling anzukündigen.

Während ich mich fragte, ob ein Frühling kommen würde oder wir uns auf eine andere Jahreszeit einstellen müssen, flog eine kleine Krähe heran und setzte sich auf den obersten Ast eines Ahornbaumes. Der Baum wog sich im Wind, doch die Krähe saß fest auf einem sehr dünnen Zweig, als wäre es das Natürlichste der Welt im Januar Herbst zu haben und dass die Schafe keine Locken mehr haben.

© Aroundtheworld 2023-01-19