Schiefes Haus auf Rügen

Thomas Schützenhöfer

von Thomas Schützenhöfer

Story

„Make holiday, like you’re living there“, ich weiß nicht mehr, wo ich diesen Spruch aufgeschnappt habe, aber er geistert mir schon seit langer Zeit durch den Kopf. Natürlich sind Alltag und Urlaub zwei Paar Schuhe, aber irgendwie ist die Verbindung davon ein reizvolles Ziel. Urlaubsaktivitäten mit den schönen Dingen des Alltags zu verbinden, das hat schon was. Und Rügen, das hatte erst recht was.

Wir bezogen ein Ferienhaus inmitten der überschaubaren Ortschaft Sagard auf Rügen. Das Meer lag rund 15 Fahrminuten entfernt, daher waren dort keine Urlaubermassen anwesend. Das Häuschen präsentierte sich als eine hölzerne Gartenhütte direkt neben dem Haupthaus unserer schrulligen Vermieterin. Die gedrungene Dame im fortgeschrittenen Alter sprach mit breitem nordischem Dialekt, erzählte uns von den Road-Trips ihrer Kinder nach Norwegen und stand mit Tipps zur Insel parat. Das Lustige, das Haus war schief. Ich merkte es beim Kochen, wenn das Fett in der Pfanne sich auf einer Seite sammelte. Oder wenn Äpfel durch das Schlafzimmer kullerten. Es hatte Charme.

Tagsüber standen Ausflüge zu diversen Stränden am Programm. Es war kalt, viel zu kalt für Juli. Nur einmal war es möglich, sich der Sonne zu erfreuen. Bei milden 20° in der Mittagshitze, da konnte nicht Mal der stetige Wind an. Außerdem Kap Arkona, die Störtebeker-Festspiele und bei Regen ins klare Meer. Es war alles in allem sehenswert, es gab Highlights, mehrere sogar, auch wenn der Wettergott nicht auf unserer Seite war.

Das Schönste dabei war die Verbindung von Urlaub und Alltag. Das Ausschlafen frühmorgens in einem nicht ganz geraden Bett. Danach selbst das Lieblingsfrühstück richten. Milch, Müsli und Orangensaft. Kein Buffet mit schalem Kaffee, dick geschnittener Wurst und eingepackter Marmelade. Den Tag genießen, Zeit haben zu lesen, Zeit finden für Dinge, die sonst nicht am Tagesplan stehen. Lange Gespräche über Belanglosigkeiten. Einkaufszettel schreiben.

Eines meiner Hobbies ist es, für meine Freundin zu kochen. Das Herumhantieren in der Küche habe ich mir in Folge meines Auszugs aus dem heimischen Wohlfühlhotel Mama selbst angeeignet und bin seitdem ein begeisterter Küchen-Steher. Und genau das hat für mich den Urlaub so besonders gemacht. Mit relativ frischem Gemüse in der Küche zu stehen, zu schneiden, zu zerkleinern, zu dünsten und zu braten. Aufgießen, abschmecken, genießen. Gemeinsam mit ihr am leicht hängenden Tisch zu sitzen, Untersetzer für die Teller zu verwenden, damit das Essen auf der glatten Tischoberfläche nicht entwischt. Alltag. Dann wieder Urlaub. Vor dem Haus gegen Insekten kämpfen. Dabei Flensburger trinken und ekelhafte Zigarillos rauchen. Lange aufbleiben und noch länger ausschlafen. Kein Internet. Nur zu zweit und über den Tag und alles sonst sprechen.

Fazit: Die Verbindung von Urlaub und Alltag. Machbar. Mach Urlaub, als würdest du dort wohnen. Umsetzbar. Das Ganze mit einer geliebten Person teilen. Unbezahlbar.

© Thomas Schützenhöfer 2019-04-12